Sehnsuchtsland
vorhin zusammen mit Magnus in ihren Wagen gestiegen war, spürte sie wieder diese rastlose Unruhe, die sie offenbar immer in seiner Gegenwart überkam.
Er hatte ein paar flapsige Bemerkungen über die ungewohnte Stille auf dem Land gemacht und sich anschließend mit der typischen technischen Neugier eines Mannes der Konsole ihres Cabrios zugewandt, die förmlich vor elektronischem Schnickschnack überquoll. Zu ihrer eigenen Beschämung kannte Lena sich immer noch nicht hundertprozentig mit all den Knöpfen, Hebeln und Reglern aus. Sie hatte das knallgelbe Mercedes-Cabrio nur gekauft, weil ihr die Farbe so gut gefiel und weil sie zu Sonderkonditionen an den Wagen gekommen war. Maltes Bruder war leitender Angestellter in einer Stockholmer Daimler-Chrysler-Niederlassung und hatte Lena das Cabrio als Jahreswagen quasi zum Schleuderpreis verschafft.
Ein Großteil ihrer Ersparnisse war dafür draufgegangen, und der Rest wurde über Leasing finanziert. Davon abgesehen hatte sie sowieso einen neuen Wagen benötigt, und es gab sonst kaum etwas, wofür sie großartig Geld ausgeben konnte. Ihr kleines Apartment hatte sie über die Fluggesellschaft zu vergünstigten Bedingungen angemietet, Ausgaben für Urlaub oder sonstige kostspielige Aktivitäten fielen flach. Der Wagen war der einzige Hauch von Luxus, den Lena sich in ihrem bisherigen Leben überhaupt gestattet hatte.
Magnus hatte nicht gefragt, warum sie sich dieses eher extravagante Gefährt zugelegt hatte, das nicht unbedingt zu einer kleinen Stewardess passte. Er schien sich eher für ihre Gedanken und Wünsche zu interessieren, wollte wissen, was ihr an der Fliegerei Spaß machte und ob sie manchmal daran dachte, sesshaft zu werden.
Lena hatte sich mit fröhlichen Floskeln aus der Affäre gezogen, ohne dass ihr dabei entgangen wäre, wie sehr sie ihm gefiel. Es war ihr nicht unangenehm, seine Blicke zu spüren, im Gegenteil. Sie genoss seine Bewunderung. Es war, als wäre die Sonne auf ihrer Haut mit einem Mal doppelt so warm und der Himmel blauer als sonst.
Lena betrachtete Magnus von der Seite. Er hatte die Ärmel seines Hemdes bis zu den Ellbogen hochgekrempelt. Seine kräftigen, gebräunten Unterarme kontrastierten auffällig zu dem hellblauen Karomuster, das denselben Farbton aufwies wie seine Augen. Die Sonne zauberte blonde Lichter in sein braunes Haar und ließ den dunkleren Bartschatten auf seinen Wangen sichtbar werden. Lena schluckte, weil sie mit einem Mal gewahr wurde, wie sehr er sie anzog, und zwar auf eine ihr völlig neue, unverfälscht erotische Art. Sie spürte einen Anflug von Hitze in ihren Wangen und drehte sich rasch zur Seite, damit er ihr plötzliches Erröten nicht bemerkte.
»Hendriks Drogerie ist drüben beim Bootshafen.« Sie fragte sich bange, ob ihre Stimme vielleicht eine Spur piepsig geklungen hatte, und etwas burschikoser setzte sie hinzu: »Soll ich mitkommen? Wenn nicht, warte ich auf dem Marktplatz auf Sie.«
Er lächelte sie an. »Wo kriegen Sie denn Ihren Zucker?«
»Zucker?« Lena musterte ihn verständnislos, dann biss sie sich auf die Lippen. Den blöden Zucker hatte sie völlig vergessen. Kein Wunder, hatte sie doch nie wirklich vorgehabt, welchen zu kaufen.
»Den hole ich schnell im Supermarkt«, sagte sie eilig, in der sicheren Gewissheit, dabei so rot anzulaufen, dass es noch aus zehn Metern Entfernung zu erkennen war.
Im nächsten Augenblick sah sie ein weiteres bekanntes Gesicht und nutzte rasch die Gelegenheit, den Moment der Peinlichkeit zu überbrücken. »Stina!«, rief sie erfreut, als sie die Frau mit der hellen Schürze und dem hübschen blauen Kopftuch vor dem kleinen Blumenladen an der Ecke stehen sah. Spontan eilte sie auf die älteste Freundin ihrer Schwester zu und umarmte sie herzlich. Stina erwiderte die Begrüßung mit offensichtlicher Freude. Sie hielt einen großen, duftenden Rosenstrauß in den Händen und strahlte, während Lena ihr Magnus vorstellte.
»Das ist Magnus Jacobsson , einer von Ingrids Gästen.«
Sie betrachtete Stina eingehend. »Du siehst gut aus! Wie geht es dir?«
»Bestens.« Stina hob lachend den üppigen Strauß. »Willst du ein paar Rosen kaufen?«
»Die sind ja wirklich traumhaft«, meldete Magnus sich zu Wort.
»Allerdings«, bestätigte Stina. »Elinor Frödin hat die schönsten Rosen in der ganzen Gegend. Eine besondere Züchtung. Die Sorte heißt genau wie ihr Gut — Marielund.«
Lena fühlte sich, als hätte sie soeben einen Fausthieb in den Magen bekommen. Mit
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