Sehnsuchtsland
widersprach Lena mit erhobener Stimme. »Nicht jede Frau muss ein Häuschen, einen Mann und ein Dutzend Kinder haben!« Mit wütenden Bewegungen verteilte sie die Gläser auf dem Tisch.
»Willst du mir weismachen, dass du gern allein lebst?« Björn trat zu ihr. »Ich erinnere mich sehr gut an deine Träume als Teenager!«
»Ich wollte immer die Welt sehen.« Lena wandte sich ab, um die Teller von der Anrichte zu nehmen.
»Richtig«, gab Björn zu. »Aber du wolltest immer auch einen Mann und Kinder.« Er zeigte mit dem Finger auf sie. »Du hast immer gesagt: Papa, ich schaffe das schon. Ich werde alles unter einen Hut kriegen.« Er hielt inne, bevor er kopfschüttelnd hinzufügte: »Und jetzt?«
Lena wandte sich ab und stellte die Teller auf den Tisch.
Björn folgte ihr beharrlich. »Sehnst du dich denn gar nicht danach, von den Reisen nach Hause zu kommen und erwartet zu werden?«
Lenas Hand zitterte, als sie den Wasserkrug von der Anrichte nahm und die Gläser voll schenkte. »Ist dir vielleicht schon mal in den Sinn gekommen, dass ich so ein Glück einfach nicht verdient haben könnte?«, fragte sie mit tränenerstickter Stimme.
Björn verlor die Beherrschung. »Wie kannst du nur so einen Unsinn reden? Lena, hör endlich auf damit, dich in deinen Schuldgefühlen zu vergraben! Das muss ein Ende nehmen!«
Er hätte noch mehr zu sagen gehabt, aber sie waren nicht mehr allein. Magnus war in der offenen Tür aufgetaucht.
Um der Höflichkeit Genüge zu tun, klopfte er gegen den Rahmen, obwohl sein Erscheinen weder Björn noch Lena entgangen war.
Lena hätte sich gern in Luft aufgelöst. Das Letzte, wonach ihr jetzt der Sinn stand, war die Aussicht, ihm verheult und verzweifelt gegenübertreten zu müssen. Sie schniefte kurz und rieb sich über die Augen, in der Hoffnung, dass das gewaltige Kreuz ihres Vaters ihre Bemühungen hinreichend verbarg.
»Entschuldigen Sie die Störung«, sagte Magnus. »Ich wollte nur fragen, wo ich hier in der Gegend Filme kaufen kann.«
»In Hendriks Drogerie«, antwortete Björn brummig. Dieser Jacobsson war ihm sympathisch, was jedoch nichts daran änderte, dass er sich für sein Auftauchen einen ziemlich ungünstigen Zeitpunkt ausgesucht hatte. Er hatte seiner Tochter noch einiges zu sagen. Aber wie er Lena kannte, würde sie ab sofort darauf achten, bis zu ihrer Abreise nicht mehr mit ihm allein zu sein, um weiteren Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen.
»Danke«, sagte Magnus.
Björn fühlte sich verpflichtet, ihm wenigstens den Weg zu beschreiben. »Wenn Sie in die Stadt kommen, fahren Sie gleich die erste Straße links...«
»Ich bringe ihn hin«, fiel Lena ihm entschlossen ins Wort. Björn drehte sich erstaunt zu ihr um. Sie wirkte einigermaßen gefasst, doch ihre Augen waren noch nass, als sie Magnus unsicher anlächelte.
»Ich muss sowieso noch Zucker für die Marmelade und das Gelee besorgen. Wir haben nicht damit gerechnet, dass wir dieses Jahr so viele Beeren und Äpfel ernten würden.« 3
Sie hatte es plötzlich sehr eilig, aus dem Haus zu kommen. »Passt du so lange auf die Früchte auf?«, fragte sie ihren Vater mit abgewandtem Gesicht, während sie zur Tür ging. Ohne Björns Antwort abzuwarten, wandte sie sich Magnus zu. »Und, wollen wir?«
Im nächsten Moment waren die beiden auch schon draußen. Björn wusste nicht recht, was er davon halten sollte. Nicht nur, weil im oberen Fach des Küchenschranks ungefähr ein halbes Dutzend Kilopackungen mit Einmachzucker standen, sondern weil dieser Magnus Jacobsson vielleicht eine unbekannte Größe in einem Spiel darstellte, das bereits begonnen hatte, ohne dass es ihm, Björn, bisher aufgefallen war.
*
Magnus war entzückt von der Fußgängerzone des Örtchens. Hübsche schmiedeeiserne Ladenschilder, jedes ein individuell gestaltetes Kunstwerk, hingen über den Türen der Geschäfte und lenkten den Blick auf die in unterschiedlichen Pastellfarben gestrichenen Holzfassaden.
Lena war überrascht und ein wenig peinlich berührt, weil sie auf Anhieb so vielen Leuten begegnete, die sie von früher kannte. Das Erstaunen hielt sich bei den Menschen, die sie grüßten, allerdings in Grenzen, weshalb sie wohl davon ausgehen durfte, dass Ingrid bereits vor ihrem Eintreffen für die Verbreitung dieser Information gesorgt hatte.
Lena war von einer seltsamen Befangenheit erfüllt, die nicht nur davon herrührte, dass alle Welt sie hier mit solcher Selbstverständlichkeit willkommen zu heißen schien. Seit sie
Weitere Kostenlose Bücher