Sehnsuchtsland
höchstwahrscheinlich unmöglich benahm, weil er einfach nicht aufhören konnte, die Frau vor ihm anzustarren. Er schluckte und sagte das Nächstbeste, was ihm in den Sinn kam.
»Wenn ich gewusst hätte, dass wir Besuch bekommen, hätte ich...«
»Kuchen gebacken?«, fiel sie ihm lächelnd ins Wort.
»Oder das Haus aufgeräumt.« Niclas hatte es gesagt, bevor ihm etwas Geistreicheres einfallen konnte. Er stöhnte innerlich. Diese Bemerkung war an Dämlichkeit wohl kaum zu überbieten!
Doch dann sah er, dass sie lachte. Offenbar hatte ihr gefallen, was er gesagt hatte. Möglicherweise hielt sie ihn sogar für schlagfertig, der Auftakt ihrer Unterhaltung hätte also schlimmer sein können.
»Wissen Sie, dass ich Sie schon mal gesehen habe?«, meinte er eifrig. »Heute Früh in Stockholm. Wer sind Sie?«
»Hanna Beilmann.« Sie wandte sich ab und schaute hinaus auf den Sund, wo in knapp zweihundert Metern Entfernung ein schnittiger weißer Motorsegler vor Anker lag.
»Ist das Ihr Schiff?«, wollte Niclas wissen.
Hanna nickte und schlang das Handtuch fester um sich. »Ich denke, ich sollte jetzt zurückschwimmen .«
»Möchten Sie nicht vielleicht vorher einen Kaffee... oder... oder...« Niclas verhaspelte sich in dem Bemühen, sie irgendwie dazu zu bringen, noch hier zu bleiben. Ganz plötzlich hatte er das verrückte Gefühl, sie unmöglich einfach so gehen lassen zu können. Oder schwimmen, wenn man es genau nahm.
»Nein, wirklich nicht. Ich muss zurück aufs Boot.«
»Dann bringe ich Sie«, sagte Niclas kurz entschlossen. Er ging voraus, und nachdem er auf den Steg des Bootshäuschens gesprungen war, reichte er ihr die Hand, um ihr hinaufzuhelfen. Ihre Finger waren nass und kühl, und Niclas hatte unwillkürlich das Verlangen, sie zwischen seinen Händen zu reiben und zu wärmen, ein Gefühl, dass sich noch verstärkte, als er ihr anschließend auf dieselbe Weise half, in das kleine Boot zu steigen.
Er hatte Mühe, den Außenbordmotor in Gang zu bringen, was vermutlich daran lag, dass er das Boot seit Wochen nicht benutzt hatte. Er sollte es wieder einmal von Jan warten lassen. Und er musste natürlich auch noch das Ruderboot bergen, das drüben auf halber Strecke zu der Yacht umgedreht auf dem Wasser dümpelte. Und nachher musste er unbedingt daran denken, Pelle noch einmal ins Gebet zu nehmen.
All das schoss ihm in Form wechselnder, sinnloser Gedankenfetzen durch den Kopf, während er die Frau anstarrte, die vor ihm im Bug saß und seine Blicke erwiderte.
Ihr nasses blondes Haar fiel in wirren Locken um ihr schmales Gesicht, und ihre Iris leuchtete wie poliertes Silber. Wieder spürte Niclas dieses seltsame Gefühl von Vertrautheit. Sie wich seinen Blicken nicht aus, sondern schaute ihn unverwandt an.
Niclas war wie hypnotisiert.
Doch ein paar verträumte Sekunden später riss er sich aus seiner Versunkenheit und machte sich klar, dass er nichts von ihr wusste außer ihrem Namen. Er empfand plötzlich den drängenden Wunsch, alles über sie zu erfahren.
»Schön, Sie kennen zu lernen«, hob er ein wenig unbeholfen an. Etwas mutiger fuhr er fort: »Sind Sie auf einem Wochenend-Törn?«
»Wir sind auf dem Weg nach Neuseeland.« Hanna machte eine kurze, aber bezeichnende Pause. »Mein Mann und ich.«
Niclas zuckte wie unter einem leichten Schlag zusammen. Sie war verheiratet. Natürlich war sie verheiratet. Eine Frau wie sie wäre wohl kaum allein. Ein wenig verlegen schaute er zur Seite. »Beneidenswert.« Er ließ offen, ob sich das auf die Weltumseglung bezog oder auf ihren Mann. »Und schade«, fügte er mit schwachem Lächeln hinzu. Abermals verloren sich ihre Blicke ineinander.
Viel zu schnell hatten sie die Miranda erreicht. Hannas Mann stand an der Reling, ein großer blonder Typ, der mit jeder Pore seines schlanken, durchtrainierten Körpers Erfolg und Selbstsicherheit zu verströmen schien. Er trug ein teures marineblaues Poloshirt zu edlen weißen Leinenhosen und machte den Eindruck, alles unter Kontrolle zu haben.
Er fing das Seil, das Hanna ihm vom Boot aus zuwarf, geschickt auf und befestigte es mit routinierten Bewegungen an Deck der Yacht.
» Hej !« Niclas nickte ihm grüßend zu und stand auf, um Hanna beim Aussteigen zu helfen. Er fühlte sich bemüßigt, eine Erklärung abzugeben. »Ich bringe Ihnen Ihre Frau zurück.«
Erik lachte kurz, während er mit dem Seil hantierte. »Hanna, du kannst einen immer wieder überraschen!«
Hanna ergriff die Reling der Miranda und zog das
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