Sehnsuchtsland
das Innere des Schiffs zurück.
Hanna blieb stumm an Deck sitzen und schaute hinüber zu dem grün bewaldeten Ufer. Das kleine Boot war nicht mehr zu sehen.
*
Niclas wartete, bis Pelle mit Duschen und Umziehen fertig war, und erwischte ihn anschließend im Gang, bevor er sich in seinem Zimmer verbarrikadieren konnte.
»Ich muss mit dir reden«, eröffnete er das Gespräch.
Pelle verzog das Gesicht. Er ahnte, was jetzt wieder kam, doch er war nicht bereit, sich mit dem Thema auseinander zu setzen. »Ich habe keine Lust, nach Stockholm zu ziehen! Ich will hier bleiben!«
»Ach komm, Pelle! Ich dachte, du hättest es verstanden!« Niclas hatte das unangenehme Gefühl, gegen eine Mauer zu reden. »Ich brauche jeden Tag mehr als drei Stunden nur für die Fahrt zum Büro und wieder zurück! Das ist die reinste Zeitverschwendung!«
Pelle wirkte unbeeindruckt. Er stand vor dem Fenster und schaute hinaus in den Garten. Sein Haar stand störrisch vom Kopf ab, weil er vergessen hatte, es nach dem Duschen durchzukämmen.
Niclas versuchte, mehr Überzeugungskraft in seine Stimme zu legen. »Außerdem sehe ich dich kaum. Morgens schläfst du noch, wenn ich losfahre. Und abends bist du oft schon im Bett.«
»Du musst ja nicht in Stockholm arbeiten«, versetzte Pelle finster. »Mach einfach deine Praxis wieder auf!«
Niclas versteifte sich. »Du weißt, dass das nicht geht.«
»Weiß ich nicht.« Pelle schaute halsstarrig aus dem Fenster, bevor er sich unvermittelt zu Niclas umwandte und mit trostloser Stimme hinzusetzte: »Ich weiß nicht, warum du kein Arzt mehr sein willst.«
Niclas fühlte sich mit der Situation hoffnungslos überfordert. Er hätte seinen Sohn gern in die Arme genommen und ihn an sich gepresst, ihn gehalten und ihm etwas von seiner Stärke und Wärme gegeben. Vor zwei Jahren war Pelles ganzes Leben aus den Fugen geraten, und nichts war seitdem wieder wirklich in Ordnung gekommen.
Doch Pelle hasste es, wie ein Baby behandelt zu werden. Mit neun Jahren legte er keinen Wert mehr darauf, spontan in den Arm genommen und geherzt zu werden.
Auf dem Dielentisch lag der Drachen. Niclas nahm ihn und ging zum Fenster. Er trat neben Pelle und klopfte mit der Verpackung gegen die Scheibe. »Sieh mal, was ich dir mitgebracht habe! Wollen wir ihn gleich zusammenbauen?«
Wenn irgend möglich, schaute Pelle noch ergrimmter drein als vorher. »Du willst mich bestechen!« Mit diesen Worten drehte er sich auf dem Absatz um und verschwand nach oben.
*
Hanna stand auf dem Anlegesteg der Werft und schaute sich müßig um. Eigentlich war es weniger ein Schiffsbaubetrieb als eine Reparaturwerkstatt für Boote aller Art, die teils auf dem felsigen Uferstreifen lagen und teils aufgedockt in der Halle standen.
Jan Olsson, der Eigentümer, machte einen ziemlich kompetenten Eindruck, zumindest schien er sofort zu wissen, wonach er suchen musste. Abgesehen davon war er auch äußerlich eine beeindruckende Erscheinung. Er mochte um die sechzig sein, machte aber eine gute Figur mit seinem drahtigen Körper und seinem braun gebrannten Gesicht. Er hatte eine raue, leicht schleppende Stimme und strahlend blaue Augen, in denen es bewundernd aufgeblitzt hatte, als Hanna von Bord gekommen war. Als er sie mit Handschlag begrüßt hatte, war sein Lächeln noch um einiges breiter geworden. In seiner Jugend hatte er vermutlich eine Menge Frauen betört.
Hanna beobachtete von der Anlegestelle aus, wie er sich an den Innereien des Motors zu schaffen machte. Erik stand neben ihm und schaute ihm mit beinahe argwöhnischer Gründlichkeit über die Schulter. Hanna vermutete, dass er sich für den Fall schlau machen wollte, dass dergleichen während der Überfahrt nochmals passierte. Er war ein passionierter und äußerst fähiger Segler, aber von Maschinen verstand er weniger, als er zugeben wollte.
Ein Ausdruck von Betroffenheit trat auf sein Gesicht, als Jan den Schraubenzieher weglegte, sich die öligen Hände mit einem Lappen abwischte und von der Miranda zurück auf den Steg kletterte.
»Und?«, fragte er angespannt.
Jan zuckte die Schultern. »Tut mir Leid, das sieht nicht gut aus.«
»Aber Sie können es doch reparieren, oder?«, fragte Hanna beunruhigt.
»Kann ich.« Er ging an ihr vorbei in Richtung Halle. »Aber die Elektronik ist hin. Ich muss beim Hersteller anrufen und die Ersatzteile bestellen.«
Erik folgte ihm. »Und wie lange dauert das?«
»Bei diesem Modell?« Jan blieb vor dem offenen Tor der Bootshalle stehen
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