Sehnsuchtsland
Boot an den Rumpf der Yacht, bevor sie sich zu Niclas umdrehte. Er stand dicht vor ihr und hatte Mühe, das Gleichgewicht zu bewahren. »Danke, dass Sie meinen Sohn gerettet haben.« Ihre Blicke versanken erneut ineinander.
Die ungeduldige Stimme ihres Mannes zerstörte den Zauber. »Kommst du, Hanna?«
Sie ließ Niclas los und kletterte an Bord der Miranda, wo sie sich zu Niclas umdrehte und ihm zum Abschied die Hand entgegenstreckte.
»Wiedersehen, Herr...«
»Söderlind. Niclas Söderlind.«
Er holte Luft. »Wiedersehen, Hanna. Ich wünsche Ihnen eine schöne Reise.«
Sie lächelte, sanft, ein bisschen unsicher. »Alles Gute, Niclas.«
Er hörte mit einem Mal seinen eigenen Herzschlag. Ihre Hand lag in seiner, wesentlich länger als es bei einem normalen Händedruck üblich war. Er machte keine Anstalten, sie loszulassen, und sie versuchte nicht, sich ihm zu entziehen. Sie schauten einander an, endlose, magische Augenblicke. Doch nicht lange genug.
Ihr Mann löste die Leine und warf sie Niclas kurzerhand vor die Füße. Niclas machte sich notgedrungen auf den Rückweg zum Ufer, doch während der Fahrt schaute er immer wieder zurück zur Yacht. Hanna stand am Bug. Sie beschirmte mit der Hand ihre Augen und verfolgte seinen Weg.
*
Erik schaute dem davonfahrenden Boot düster hinterher. Irgendetwas hatte ihn an dem Burschen gestört, ohne dass er genau hätte sagen können, was es war. Vielleicht lag es daran, dass der Typ Hanna auf eine ziemlich aufdringliche Art angegafft hatte. Ganz zu schweigen davon, dass er beim Abschied mindestens fünfmal so lange ihre Hand gehalten hatte, wie es normalerweise üblich war.
Na gut, sie hatte vielleicht seinen Sohn aus dem Wasser gefischt. Aber es war bestimmt keine Dankbarkeit, die vorhin in den Augen dieses Kerls gefunkelt hatte, darauf hätte Erik die letzte Schraube dieses dämlichen Motors verwettet.
Möglicherweise hing sein Ärger aber auch damit zusammen, dass Hanna nicht den geringsten Versuch unternommen hatte, den Abschied zu beschleunigen. Im Gegenteil. Es war ihm keineswegs entgangen, dass sie diesen Niclas auf ungewöhnlich intensive Art gemustert hatte. So, wie eine Frau einen Mann anschaut, der ihr über alle Maßen gut gefällt.
Erik sagte sich, dass gerade er kein Recht hatte, sich deswegen aufzuregen, aber eine archaische Regung in ihm lehnte sich vehement gegen diese Stimme der Vernunft auf. Sie war immer noch seine Frau, und er machte mit ihr diese verdammte Reise nur, damit sich daran nichts änderte.
Bei diesem Gedanken steigerte sich sein dumpfer Unmut noch. Dass der Motor kaputt war, machte das Ganze auch nicht besser. Einen Fluch unterdrückend, stocherte er mit dem Schraubenzieher zwischen den Zündkabeln herum. Er hatte die Abdeckung des Motors abgenommen und nach dem Fehler gesucht, aber soweit er es beurteilen konnte, handelte es sich um einen komplizierteren Defekt, als er erwartet hatte. Was es auch immer sein mochte, er wurde nicht allein damit fertig.
Hanna kam aus der Kajüte geklettert. Sie hatte sich umgezogen und frottierte ihr nasses Haar. Erik musste zugeben, dass sie zauberhaft aussah. Kein Wunder, wenn sich andere Männer nach ihr umdrehten.
Verdrossen schaute er sie an. »Tu mir bitte einen Gefallen und mach so was nie wieder! Mit solchen Eskapaden gefährdest du die ganze Reise!«
Sie musterte ihn verständnislos. »Ich dachte wirklich, das Kind ertrinkt!«
»Er war mindestens zehn Jahre alt, da können hier alle Kinder schwimmen!«
Hanna starrte ihn an. In ihren Augen standen Wut und Bitterkeit.
»Und du weißt so genau, ob ein Kind in Gefahr ist, oder?«
Es war wie ein Schlag ins Gesicht für Erik. Hastig wandte er sich ab, weil er nicht wollte, dass sie ihm den Schmerz und das schlechte Gewissen ansah. Er hätte sich entschuldigen sollen, doch stattdessen begegnete er ihrem Vorwurf mit Aggression.
»Jetzt fang nicht schon wieder damit an!«, sagte er im Befehlston. »Wir machen diese Reise, um es zu vergessen!« Mit diesen Worten verschwand er eilig unter Deck.
Hanna ließ sich verbittert auf die Bank neben dem Kajütenaufgang fallen. »Entschuldigung«, sagte sie zu niemand Bestimmtem. Mit erhobener Stimme fügte sie hinzu: »Was ist mit dem Motor? Hast du den Fehler gefunden?«
Erik tauchte kurz auf der Leiter auf. »Ich weiß nicht, was es ist. Wir müssen den nächsten Hafen anlaufen. Ich habe mich schon erkundigt, es gibt hier in der Nähe eine Werft.«
Mit unbewegtem Gesicht zog er sich wieder in
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