Sehnsuchtsland
des Hotels trat sie ins Freie, schaute kurz in die Runde und kam sofort auf ihn zu, als sie ihn erspäht hatte. Einen Moment lang hatte er den Eindruck, dass ihr Lächeln ein wenig mühsam wirkte, doch dann sagte er sich, dass sie immerhin einen sehr aufreibenden Tag gehabt hatte. Es war nicht so ohne, den ganzen Tag auf einem Schiff zu verbringen, vor allem, wenn der letzte Törn schon über ein Jahr zurücklag. Während der Schwangerschaft und auch danach waren sie nicht segeln gewesen.
Erik merkte, in welche Richtung seine Gedanken drifteten, und presste die Lippen zusammen. Als Hanna näher kam, zwang er sich zu einem Lächeln. »Da bist du ja.«
Sie reichte ihm sein Handy. »Da war ein Anruf, aber bis ich das Telefon gefunden hatte, war keiner mehr dran.« Sie machte eine kurze, wie zufällig wirkende Pause. »Wer ist Elsa?«
Erik spürte, wie sich sein Inneres in stummer Abwehr verkrampfte. »Die neue Gerichtssekrektärin «, log er. »Die kennt sich noch nicht so gut aus.« Rasch schob er das Handy in die Hosentasche. »Soll ich dir was zu trinken holen?«
»Ja, gern. Ich schaue dann schon mal, was es alles zu essen gibt.«
Während Erik sich in Richtung Getränkestand entfernte, schritt Hanna das Büfett ab und überlegte, was sie zuerst auf ihren Teller packen sollte. Nach den vielen Stunden an der frischen Luft hatte sie das Gefühl, einen ganzen Ochsen verschlingen zu können.
Stattdessen entschied sie sich für Janssons Frestelse 8 . Während sie sich eine großzügige Portion auftat, spürte sie mit allen Sinnen seine Anwesenheit. Aus den Augenwinkeln hatte sie gesehen, dass er unter einem der Bäume stand, ein Glas Sekt in der Hand.
Hanna war sicher, dass er sie noch nicht bemerkt hatte. Anderenfalls wäre er sicher bereits auf sie zugekommen.
Einen Augenblick später zuckte sie nervös zusammen, denn sie spürte seine Gegenwart hinter sich, auch ohne sich nach ihm umzudrehen. Fassungslos fragte sie sich, was um Himmels willen zwischen ihm und ihr im Gange war. Sie war verheiratet, und er war es auch. Es durfte einfach nicht sein, dass sie derartig außer sich geriet, sobald sie seiner nur von weitem ansichtig wurde!
»Nach Neuseeland geht’s aber in die andere Richtung.« Seine Stimme war dunkel und klang wie Samt. Er stand dicht hinter ihr. Hanna drehte sich mit weichen Knien um und tat so, als hätte sie ihn erst jetzt bemerkt.
» Hej ! « Leicht verkrampft lächelte sie ihn an und versuchte dabei zu ignorieren, wie gut er aussah. »Unser Boot hat einen Motorschaden. Wir sind bei Jan Olsson gelandet, und der hat uns hierher gebracht. Alles ganz einfach.«
»Einfach?« Niclas schaute ihr in die Augen. »Ich sehe Sie heute zum dritten Mal. An den unterschiedlichsten Orten. So etwas ist doch...«
»Zufall«, unterbrach sie ihn. Sie wollte sich lässig geben, aber sie merkte, dass ihre Stimme ein wenig zittrig klang.
»Es gibt keinen Zufall.« Er sagte es sehr ruhig. Eindringlich fügte er hinzu: »Was tun Sie hier, Hanna?«
Erik enthob sie einer Antwort. Er kam zurück und drückte ihr ein Glas in die Hand. »Hier, dein Wein.«
Sie trank rasch und ohne hinzusehen, während Erik sich in gespielter Leutseligkeit zu Niclas wandte. » Hej , wir kennen uns doch!«
»Ich muss jetzt wirklich etwas essen«, fuhr Hanna hastig dazwischen. Erik nickte bereitwillig, und sie gingen beide hinüber zu einem der anderen Tische und ließen Niclas stehen. Hanna drehte sich nicht mehr zu ihm um. Er hätte ebenso gut Luft sein können.
Niclas umklammerte sein Glas und schob die freie Hand in die Hosentasche, wo er sie zu einer harten Faust ballte.
*
Pelle saß allein auf dem Steg, den Kopf in beide Hände gestützt und den Blick verdrossen auf das strömende Wasser unter seinen baumelnden Füßen geheftet.
Siv näherte sich ihm von hinten. »Guck mal, Pelle!« Sie setzte sich neben ihn und präsentierte ihm einen Teller. »Ich habe dir deine Lieblingsgerichte zusammengestellt. Hackfleischbällchen, Dillhäppchen, Krebssalat 9 ...«
Pelle nahm schweigend den Teller entgegen und stellte ihn neben sich auf dem Steg ab, um gleich darauf wieder den Kopf in die Hände zu stützen.
»Was ist denn, Pelle? Schlechte Laune?« Siv stupste ihn aufmunternd an. »He, du hast Ferien!«
»Ich will nicht nach Stockholm ziehen«, erwiderte er mürrisch.
Erstaunt schaute Siv ihn von der Seite an. »Das musst du doch auch nicht.«
»Doch, muss ich. Papa hat heute eine Wohnung gemietet.«
»Ach.« Sie schaute
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