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Sehnsuchtsland

Sehnsuchtsland

Titel: Sehnsuchtsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inga Lindström
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einen Schluck. »Ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht...«
    Er wurde tatsächlich ein wenig rot bei ihrem Lob. »Vor vielen Jahren war ich mal für ein paar Monate in Marrakesch, da habe ich einiges über das Kaffeekochen gelernt.«
    Hanna warf einen begehrlichen Blick auf die Zimtschnecken 10 , die in einer Schale auf dem Tisch standen. Sie rochen beinahe ebenso gut wie der Kaffee und waren zweifellos selbst gebacken.
    Sie hatte bereits die Hand ausgestreckt, um sich eine zu nehmen, als im nächsten Moment Pelle in die Küche platzte. Er hielt den achtlos zusammengerollten Drachen in der Hand und machte einen ausgesprochen wütenden Eindruck.
    » Hej , Pelle. Wir haben Besuch!«
    Pelle würdigte Hanna kaum eines Blickes.
    »Moment mal!« Niclas stand vom Tisch auf. »Das ist ja der Drachen! Was hast du damit vor?«
    Pelle schob mürrisch die Unterlippe vor. »Wegwerfen. Das Ding funktioniert überhaupt nicht.«
    »Wieso hast du nicht gewartet, bis ich Zeit habe? Du kannst ihn doch nicht gleich wegwerfen!«
    Hanna stand ebenfalls auf. »Darf ich mal sehen?« Sie nahm Pelle den Drachen aus der Hand. »Also ich kenne das. Diese Drachendinger sind wirklich immer ganz schön kompliziert.«
    Sie schob die Tassen an den Rand des Tisches, damit sie den Bausatz ausbreiten konnte.
    Während Niclas die Gebrauchsanleitung aus der Verpackung fischte und sie mit verständnislos gekrauster Stirn studierte, legte Hanna geschickt die einzelnen Drachenteile zusammen.
    »Der Trick ist, mit den kurzen Stäben anzufangen«, erklärte sie. »Suchst du die mal raus?«
    Pelle reichte ihr die biegsamen Metallstäbe, und Hanna schob sie flink in die dafür vorgesehenen Laschen. »Dann hat man nämlich schon die Spitze, schau.«
    Pelle war sichtlich angetan. »Hm, so könnte das gehen.« Aufmerksam verfolgte er Hannas Handgriffe, während sein Vater hinter ihm immer noch mit der Gebrauchsanleitung haderte.
    »He, das ist ja super einfach!« Überrascht sah Pelle zu, wie unter Hannas Händen aus einem Stück bunter Plastikplane und etlichen Stäben ein flugfähiger Drachen entstand.
    »Ich glaube, ich weiß jetzt, wie es funktionieren könnte«, meldete sich Niclas.
    Pelle deutete auf den Tisch. »Etwa so?« Er grinste seinen Vater frech an, bevor er sich wieder Hanna zuwandte. »Haben Sie auch einen Sohn?«
    Hanna presste kurz die Lippen zusammen, während sie den Kopf schüttelte und den Drachen endgültig zusammensteckte.
    Anschließend hatte sie nichts dagegen, ihn gemeinsam mit Pelle auf der großen Wiese hinterm Haus auszuprobieren.
    Der Drachen tanzte perfekt in der Luft, ein leuchtendes Viereck aus Rot, Lila und Schwarz mit einem wirbelnden, feuerroten Schwanz. Pelle hielt die Griffe und zog abwechselnd an den beiden Nylonschnüren, ließ den Drachen mal zur einen, mal zur anderen Seite einen Salto schlagen. Er hatte beinahe sofort das Prinzip begriffen, brauchte nur noch ein bisschen Starthilfe. Hanna stand hinter ihm, die Knie gebeugt, damit sie mit ihm auf Schulterhöhe war. Die Arme zu beiden Seiten um ihn herum ausgestreckt, griff sie hin und wieder lenkend ein und demonstrierte ihm die richtige Zugstärke.
    Pelle lachte und ließ einen begeisterten Aufschrei hören. »Guck mal, fliegt er nicht toll?«
    Hanna runzelte die Stirn, noch nicht ganz zufrieden. »Eigentlich ist er noch ein bisschen zu schwer.«
    »Aber er fliegt ! Papa hätte das nie hingekriegt!«
    Hanna warf aus den Augenwinkeln einen Blick zu Niclas hinüber, der es sich auf einem der Findlinge in der Nähe des Ufers bequem gemacht hatte und ihnen aufmerksam zuschaute.
    »Ach was«, meinte sie. »Er ist vielleicht ein bisschen aus der Übung, weiter nichts. Immerhin wollte er ihn doch mit dir zusammenbauen.«
    »Wollte er nicht«, widersprach Pelle. »Er hat ihn mir bloß mitgebracht, weil ich nicht umziehen will.«
    Sie trat einen Schritt zur Seite und stützte sich mit den Händen auf ihren Knien ab, ihre Augen auf einer Höhe mit seinen. »Magst du Stockholm nicht?«
    Pelle schüttelte den Kopf. »Papa mag es auch nicht. Aber er will auch nicht mehr hier sein.«
    Hanna schaute in das bockige kleine Gesicht, und sie fühlte beinahe körperlich seine Angst und seinen Widerwillen vor dem unbekannten Leben außerhalb seiner kleinen Welt. Sie zeigte ihm, wie der Drachen einen Doppelsalto schlagen konnte, das schien ihn von seinem Kummer abzulenken.
    Niclas, der etwa dreißig Meter entfernt auf dem Felsen hockte, hatte die Hände um ein angezogenes Bein geschlungen

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