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Sehnsuchtsland

Sehnsuchtsland

Titel: Sehnsuchtsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inga Lindström
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weißt doch, Erik und ich wollen um die ganze Welt reisen. Es wird einfach Zeit, dass wir wegkommen!«
    Ein flehender Ausdruck trat in seine Augen, während er ihr den Drachen hinhielt. »Kannst du das nicht noch schnell machen? Bitte, Hanna!«
    »Tut mir Leid, aber Erik wartet auf mich. Ich bin sowieso schon zu spät.« Pelle sah aus, als hätte sie ihn geschlagen, und in dem hastigen Bemühen, ihnen beiden den Abschied zu erleichtern, fuhr Hanna fort: »Schau, es ist doch wirklich nicht so schlimm! Das kann der Niclas machen.«
    »Papa?« Pelle schaffte es, seine ganzen Emotionen in dieses eine Wort zu legen. Wut, Furcht, Enttäuschung. Vor allem aber absolute Hoffnungslosigkeit.
    Hanna nickte nachdrücklich. »Ja, Papa. Mit dir zusammen. Ihr seid ein gutes Team.« Sie schluckte, doch der dicke Kloß, der ihr im Hals steckte, wollte nicht verschwinden. »Mach’s gut, Pelle«, flüsterte sie, bevor sie davoneilte. Sie schaffte es nicht, sich noch einmal zu ihm umzudrehen, weil sie Angst hatte, dass der Ausdruck in seinen Augen sie sonst vielleicht bis ans Ende der Welt verfolgen würde.

    *

    Unterdrückt fluchend kämpfte Jan mit dem Knoten der Krawatte, und als er es endlich hingekriegt hatte, sie vernünftig zu binden, fand er, dass er wie ein verdammter Lackaffe aussah. Grimmig betrachtete er sein ungewohnt elegantes Konterfei in dem winzigen Spiegel und zerrte dann kurzerhand das blöde Ding über den Kopf. Mit offenem Hemdkragen gefiel er sich entschieden besser. Zufrieden hängte er die Krawatte über den Spiegel. Lotta würde ihn so nehmen müssen, wie er war. Alt, kreuzlahm, mit ein paar Falten zu viel. Und vor allem ohne Schlips. Er würde alles für sie tun. Sogar vor ihr auf die Knie gehen, falls sie Wert darauf legte. Und ihr weiterhin mindestens einmal im Monat Blumen schenken. Aber auf keinen Fall würde er ihretwegen zum Gecken werden.
    Als er sich umwandte, stand Hanna in der offenen Tür des Kontors. Sie hatte eine Reisetasche zu ihren Füßen abgestellt und grinste ihn wohlgefällig an. » Hej , Jan. Sie sehen ja toll aus! Haben Sie etwas vor?«
    Er zupfte den Kragen seines schicken weißen Hemdes zurecht.
    »Klarschiff machen mit Lotta«, sagte er würdevoll. »Muss endlich sein.« Er betrachtete sie eingehend und bemerkte die Wehmut in ihrem Blick. »Und Sie? Wollen Sie wirklich losfahren?«
    »Ja«, sagte sie mit flacher Stimme. »Es wird höchste Zeit.«
    »Ich wünsche Ihnen Glück, Hanna«, sagte er bedächtig. »Mögen Sie das finden, was Sie suchen.«
    Sie nickte mit gesenktem Kopf. »Danke, Jan. Auch Ihnen alles Gute.« Dann schaute sie auf und sah ihn an, und ihre Augen waren plötzlich wie Silber im Regen.
    In einer Aufwallung von Zuneigung und Mitgefühl zog Jan sie an seine Brust. »Mach’s gut, Mädel«, flüsterte er bewegt. »Und wenn es anders kommt — denk dran, es gibt immer einen neuen Weg.«
    Im nächsten Augenblick verzog er in komischer Verzweiflung das Gesicht. Lotta hatte den Steg betreten und musterte ihn mit unbestechlicher Aufmerksamkeit. Sie trug ein funkelnagelneues rotes Kostüm und war so unglaublich schön, dass er einen Moment lang wirklich mit der Idee spielte, vor ihr auf die Knie zu gehen.
    »Ist das nicht typisch!« Er lachte ein bisschen gequält und ließ Hanna los. »Jahrelang kommst du nicht zu mir. Und dann überwindest du dich endlich — und findest mich in einer kompromittierenden Situation.« Er grinste Lotta breit an, während er zu ihr hinüberging. »Aber ich kann dich beruhigen. Hanna ist vergeben.« Sein Lächeln wurde eine Spur breiter. »Außerdem ist sie etwas zu jung für mich.«
    »Du meinst wohl, du bist zu alt«, versetzte Lotta trocken.
    Jan schaute sie an, seine Blicke umfingen ihr Gesicht, und ihm war, als wäre soeben die Sonne aufgegangen. Sie auf einmal hier zu haben brachte ihn völlig aus der Fassung. Wie von selbst stahl seine Hand sich über ihren Arm und legte sich in ihren Nacken, doch sie entwand sich ihm, nicht unwillig, eher verlegen. Sie war nicht hier, um ihm wehzutun.
    »Jan, ich würde gern mit dir reden.«
    Er begriff sofort, was sie ihm sagen wollte, und die Freude schnürte ihm die Kehle zu. »Du bist wirklich zu mir gekommen!«
    »Ja«, erwiderte sie bewegt. »Es tut mir Leid. Es tut mir Leid, dass ich so lange dafür gebraucht habe.«
    Er verdrehte die Augen, und einen Moment glaubte Lotta, er würde gleich einen seiner üblichen Späße von sich geben. Doch dann fuhr seine Hand hoch und presste sich gegen seinen

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