Sehnsüchtig (German Edition)
Flüssigkeit. Wasser ist es nicht, sie erkennt ihre eigene Wodka-Flasche auf Anhieb. Sie steht auf dem Beistelltisch. Er muss an ihrem Küchenschrank gewesen sein. Ungefragt.
„Noch mehr Alkohol?“, fragt sie. Er schreckt auf, offensichtlich hat er sie nicht in den Raum kommen hören. Sein Blick schweift über sie hinweg, sie trägt Trainerhosen und ein Langarmshirt, weil sie immer noch friert. Beides ist ihr zu weit, aber das ist gut so, weil es ihrem Bedürfnis entgegenkommt sich darin zu verstecken. Zu verlieren. Sein Blick findet ihr Gesicht. Sie kann verschiedenste Emotionen darin kämpfen sehen. „Noch mehr Alkohol“, bestätigt er dann.
„Ich weiss nicht, ob es etwas bringt, wenn du dich jetzt hier einfach weiter betrinkst.“ Ihre Stimme klingt nicht wütend. Sie klingt einfach müde. Resigniert wahrscheinlich. „Ich weiss, dass es keine Lösung ist ...“
Sie lässt den Satz im Raum stehen weil sie nicht weiss, was sie darauf antworten soll. Sie weiss überhaupt nichts mehr. Wie er es heute gesagt hat: „Ich weiss gar nichts mehr, Alys ...“ Und dann war es passiert. Schmerz sucht sie heim und sie sieht seinem Gesicht an, dass er weiss, woran sie denkt. Er sieht überfordert aus. Immer noch. Sie bleibt mitten in ihrem eigenen Wohnzimmer stehen, weil sie nicht weiss, was sie tun soll. Sie kann weder vor noch zurück. „Bitte komm her“, sagt er dann. Komm her. Der ultimative Eliot-Satz – aber mit einem ‚Bitte’ vor dran. Erstaunlich. „Bitte setz dich hin.“
Alys schlingt die Arme um sich selbst. „Ich muss erst etwas erledigen“, murmelt sie. Sie greift nach ihrer Handtasche und holt die Tüte aus der Bahnhofapotheke heraus. Sie sieht seinen Blick an der Tüte hängen. „Was ist das?“, will er wissen. Sie schüttelt den Kopf, als gehe es ihn nichts an. Sie will mit der Tüte in die Küche verschwinden, aber er ist schneller. Mit wenigen Schritten ist er bei ihr und nimmt ihr die Tüte aus der Hand. „Eliot!“, protestiert sie. Zu spät. Er greift hinein und holt die Packung ans Licht.
„Die Pille danach?“ Er lässt die Hand mit der Packung sinken. Er erscheint ihr blasser als zuvor. Alys beisst sich auf die Unterlippe bis es weh tut. „Ja“, sagt sie dann. „Vielleicht ist dir aufgefallen, dass wir keinen Gummi benutzt haben ...“ Ihre Stimme kratzt. Er fährt sich mit der freien Hand ins Haar und zerrt daran, wie immer, wenn er überfordert ist. Sie kennt ihn gut genug dafür. „Gott, Alys, es tut mir leid, ich weiss nicht wie ich so blöd sein konnte!“ Sie hätte nicht gedacht, dass sie je hören würde, wie Eliot Wagner den Namen des Herrn in den Mund nimmt. Er ist Atheist, das hat er ihr mal gesagt.
„Nicht nur du ... Ich auch. Wir beide ...“ Ihre Stimme verebbt.
Er atmet aus. Wieder ein. Etwas zittrig. „Nimmst du nicht die Pille?“ Er kann sie kaum ansehen bei dieser Frage. Sie schüttelt den Kopf. „Ich hab sie abgesetzt nach Janosch. Ich wollte nicht so viele Hormone nehmen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich in der nächsten Zeit mit jemandem schlafen würde ... Geschweige denn mit dir ...“
Weil ich mich in dich verliebt habe. Weil ich nicht mit jemandem anderen schlafe wenn ich verliebt bin. Sogar wenn es aussichtslos ist. Und aussichtslos war es ja, das mit dir. Oder ist es immer noch. Sie lässt ihren Blick zu Boden fallen. Mustert ihre Socken, violett mit weissen Punkten. „Ich muss sie jetzt nehmen“, murmelt sie dann. „Je schneller, desto besser ...“ Sie streckt die Hand aus und er legt die Packung hinein. Diesmal sieht sie ihn nicht an. Sie geht in die Küche und er folgt ihr. Es ist seltsam unter seinem Blick ein Glas Wasser zu füllen, die Pille aus der Packung zu nehmen und sie zu schlucken. Gleichzeitig weiss sie, dass er es nicht macht, um sie zu kontrollieren. Sondern weil er sie nicht alleine lassen will.
„Du musst dir keine Sorgen machen“, sagt er dann leise. Sie hebt den Blick. Es ist immer noch schwierig, ihm in die Augen zu sehen. „Weswegen?“, will sie wissen. Er macht eine Handbewegung in ihre Richtung. Sie wirkt hilflos. „Wegen dem fehlenden Gummi. Ich hab nichts, keine Krankheiten, meine ich. Die einzige Frau mit der ich je ohne – das ist Irina. Sie war sehr jung, als wir uns kennengelernt haben und ...“ Er bricht ab.. Er war Irinas erster Mann. Ist es bis heute geblieben . Er weiss, dass sie ihm treu ist. Und Alys glaubt ihm das auch. Sie kennt Irina auch. Sie zweifelt nicht im geringsten daran, dass Irina
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