Sehnsüchtig (German Edition)
Weile.
„Magst du ein Stück fahren?“ Er lässt sie los und klimpert mit dem Autoschlüssel in seiner Hand. Sie blickt Eliot an, dann das Auto, dann wieder ihn. „Du siehst überrascht aus“, stellt er fest. Sein Gesicht hat sich aufgehellt. Das ist schön zu sehen . „Ich dachte nur nicht, dass du ihn jemanden anderen fahren lässt.“ Er grinst jetzt sogar. „Sehr selten.“ Sie lächelt zurück und fühlt sich endlich etwas besser. „Irina darf ihn fahren. Und mein Onkel, dafür, dass er ihn aufgefixt hat und seither tipptopp in Schuss hält. Ohne ihn wäre ich aufgeschmissen. Also, willst du? Du hast doch einen Führerschein?“
„Schon, aber ich fahre vielleicht drei-, viermal im Jahr das Auto meiner Mutter. Einen Nissan Micra, kein Oldtimer. Mit Servolenkung und viel weniger PS.“ Sie betrachtet das Auto. Dieses supertolle Auto. Sie fühlt sich schwer in Versuchung geführt, aber auch überfordert. „Ich vertraue dir“, hält er mit einem Grinsen fest und streckt ihr den Autoschlüssel hin. Ihre Hand zögert, dann greift sie danach. „Und ich bin froh, wenn du ein Stück fährst, ich bin ziemlich müde und es ist noch weit.“ Also steigen sie ein und er erklärt ihr ein paar Dinge, die sie beachten soll. Dann dreht sie den Autoschlüssel im Schloss und der Porsche beginnt zu schnurren wie Rosso, die Katze der Eltern. Es klingt irgendwie zufrieden. Eliot will, dass sie eine Testrunde auf dem Parkplatz drehen. Als sie zum ersten Mal etwas Gas gibt, macht das Auto einen Satz nach vorne. Sie quietscht und steigt auf die Bremse. Eliots Lachen füllt das Auto dunkel. „Mit Gefühl, Zuckerpuppe ... und langsam.“ Also probiert sie es noch einmal und diesmal gelingt es ihr, sachte anzufahren. Das Schalten geht gut, auch wenn der Schalthebel hart geht. Und das Steuern ist ungewohnt, so ohne Servolenkung. Nach drei Runden über den Parkplatz ist Eliot zufrieden und lässt sie die Autoauffahrt nehmen. Nach einer Weile entspannt sie sich, drückt das Gaspedal noch etwas durch und beginnt, es zu geniessen. Was für ein Auto. Sie wirft einen Blick auf den Mann neben sich. Was für ein Mann. Er hängt ihren iPod an seinen altmodischen Kassettenadapter und lauscht sich durch ihre Playlist. Sie fahren, hören Musik und diskutieren bald angeregt über dieses und jene Lied. Alys ist jetzt glücklich.
*
Die Sonne bietet ihnen ein besonders kitschiges Postkartenbild. Orange, Pink, Gold. Dramatisch lässt sie sich ins Meer sinken wie eine Operndiva, die auf der Bühne besonders kunstvoll den Bühnentod inszeniert. Er studiert Alys’ Gesicht. Sieht das Staunen eines Menschen darauf, der etwas unglaublich Schönes sieht. „Wow“, macht sie. Nicht zum ersten Mal, seit sie der Küstenstrasse entlang rollen, Kurve um Kurve entlang der ‚mittleren Corniche’. Es muss etwas nach 16 Uhr sein. Die Fahrt ist gut gegangen. Sie haben ein paar kurze Pausen gemacht und sich mit Fahren abgewechselt. Und jedes Mal wenn er wieder dran war, schien Alys ihm den Schlüssel widerwilliger zurückzugeben.
Sie hat ihm unterwegs erzählt, dass sie noch nie in der Provence gewesen war. Geschweige denn an der Côte Azur, der sie jetzt entlang fahren. Sie kennt Paris und den Norden Frankreichs. Und obwohl sie ihn immer mehrmals danach gefragt hatte, liess er sich den Namen des Ziels nicht entlocken, was sie jeweils mit einem zarten Furchen der Stirn quittierte. Was ihn wiederum amüsierte, weil er sie gerne etwas ärgert.
„Wir sind in einer halben Stunde da“, sagt er jetzt. Sie nickt und öffnet eine weitere Coladose. „Willst du auch noch?“
„Gerne“. Sie nimmt einen Schluck und reicht sie ihm rüber. Sie wischt sich mit dem Zeigefinger einen Tropfen von der Oberlippe. Der rote Lippenstift ist immer noch intakt. Sie muss ihn unterwegs nachgezogen haben. Es dunkelt bereits als sie ankommen. „Èze Village“, liest Alys auf dem Ortschild ab. „Wir sind auf etwa 430 Metern. Unten am Meer liegt Èze-Bord-de-Mer mit einem super Sandstrand. Den können wir uns morgen ansehen.“ Sie nickt und studiert das Städtchen oder was davon im Licht der Strassenlampen zu sehen ist. Er lässt den Porsche im Schrittempo durch die engen Gassen rollen, das Kopfsteinpflaster rüttelt unter den Rädern. „Das sieht mittelalterlich aus“, stellt sie fest. „Ist es auch, das Dorf ist über 1000 Jahre alt.“
„Es ist wahnsinnig schön hier, Eliot“. Er kann Faszination in ihrer Stimme hören. Dann biegt er auf den Parkplatz ab,
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