Sehnsüchtig (German Edition)
jedem Akkord noch ein bisschen mehr in ihn verliebt. Und sie hat sich vorgenommen, dass sie es ihm nicht sagen wird. Sie weiss nicht, ob er es weiss. Oder ob er etwas ahnt. Eigentlich ist es ja offensichtlich. Sie sind am Strand spazieren gegangen, sie hat Muscheln gesammelt als Erinnerung, dass sie wirklich hier gewesen sind. Alys Allenbach und Eliot Wagner. Oder einfach Eliot und Alys. Es ist ihnen überraschend gut gelungen, nur Eliot und Alys zu sein. Sie haben in den verwaisten Cafés am Meer Kaffee getrunken. Die Touristensaison hat noch nicht begonnen, die Stadt im Winterschlaf, sie sind fast die einzigen Gäste. Sie haben viel geredet, nur nicht über das, was zwischen ihnen geschehen ist, und nicht darüber, was zuhause auf sie wartet. Sie hat die Speicherkarten ihrer Spiegelreflex-Kamera mit unzähligen Fotos gefüllt. Die Leidenschaft für das Fotografieren hat sie von ihrem Vater. Eliot hat Fotos von ihr gemacht, am Strand, am Pier, im Strassencafé, auf dem Balkon des Hotelzimmers. Sie hat übertrieben posiert und für die Kamera geblödelt. Sie sieht strahlend aus auf den Fotos. Glücklich. Schön. Zufrieden. Sie hat auch ein paar Fotos von ihm gemacht und es scheint ihn nicht zu stören. Sie haben sogar ein paar Bilder gemacht, auf denen sie beide zusehen sind. Er scheint ihr bedingungslos zu vertrauen, dass sie die Fotos niemandem zeigt und damit vor allem nicht zur Boulevardzeitung ‚Das Blatt’ rennt, dieses Schundblatt. Sie wird die Bilder auch nicht als Druckmittel braucht, damit er Irina die Wahrheit sagt. Nichts davon käme ihr je in den Sinn – aber ein anderer Mann würde vielleicht vorsichtiger sein. Verständlicherweise .
Es ist nichts Nennenswertes zwischen den beiden geschehen in diesen Tagen, obwohl der elektrisierende Strom zwischen ihnen weiter sirrt. Sie ist froh darüber, obwohl sie oft über ihn herfallen möchte. Er hat sie ein paarmal geküsst. Sie sind Hand in Hand durch die Strassen geschlendert und für jeden Aussenstehenden müssen sie wie ein Paar gewirkt haben. Nachts hält er sie fest, oder hält sich an ihr fest. Aber sie haben nicht miteinander geschlafen.
„Hey Zuckerpuppe ...“ Sie ist so in Gedanken versunken, dass sie ihn nicht bemerkt hat. Sie blickt auf, direkt in sein gelöstes Gesicht. Er sieht schläfrig aus und seine Wangen sind rot. Sie kennt das, so sieht man nach einer Massage aus. Mascha und sie sind schon oft zusammen im Wellness-Urlaub gewesen. Eine lange Ölmassage ist das Besten. Sie lächelt zu ihm auf. „Wie war’s? Du siehst sehr entspannt aus ...“ Er streckt sich, wie eine Katze in der Sonne. „Es war himmlisch!“ Er dreht sich lächelnd zur Masseurin um. „It was great. Thanks a lot.“ Sie nickt ihm zu. Ihr Lächeln hat etwas Madonnenhaftes. Sie hat sich mit dem Namen Khae vorgestellt, als sie ihre Termine gebucht haben. Sie spricht kein Französisch, nur ein bisschen Englisch. Khae ist eine bildhübsche Thai, riecht nach einem fruchtigen Massageöl und reicht Eliot nicht mal bis zum Ellbogen. Alys fühlt Vorfreude in sich aufsteigen. Ihre letzte Massage ist ewig her. „Ich könnte auf der Stelle einschlafen“, gähnt Eliot. „Leg dich ein wenig hin“, schlägt Alys vor. „Das mach ich. Und du geniesse es, sie hat begnadete Hände.“ Sie lächelt zu ihm auf. „Das werd ich bestimmt.“ Er beugt sich zu ihr herab und küsst sie rasch auf den Mund. „Bis gleich.“
LANGSAM
Er erwacht. Es ist schön, so aufzuwachen. Auf langsame Art, geniesserisch, die Augen zaghaft aufmachen und sich unter der Decke etwas räkeln, die Bettwäsche warm. Er hat tief geschlafen. Und gut. Es gibt nicht Schöneres, als tagsüber eine Stunde zu schlafen. Er kann sich nicht erinnern, wann er das zum letzten Mal gemacht hat. Es war einfach gewesen, einzuschlafen. Der Körper entspannt von der Ölmassage im Hotel-Spa. Jeder Muskel träge. Dann entdeckt er Alys. Sie steht vor dem Spiegel an der Wand, das Glätteisen in der einen, eine Haarbürste in der anderen Hand. Ihr Gesicht im Spiegel sieht konzentriert aus während sie sich einer Strähne widmet. Er hat sie nicht von der Massage zurückkommen oder duschen oder sich das Haar föhnen hören. Ich muss wirklich komplett weg gewesen sein. Seinem Zeitgefühl nach müsste es 18 oder 19 Uhr sein. Vor dem Fenster her macht sich die Nacht breit. Und es regnet. Sie wollten eigentlich Abendessen gehen. Deshalb macht sie sich wahrscheinlich frisch. Er lauscht dem Regen und seine Lust, nach draussen zu
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