Sehnsüchtig (German Edition)
immer noch zusammen, was soll ich ihr denn erzählen? Was bitteschön sollte ich ihr sagen?“
„Wann zum ersten Mal?“ Alys stellt die Pizzaschachtel gewaltsam auf den Schreibtisch. Sie wird schon kalt. „Warum fragst du solche Dinge?“, bringt er hervor und blickt über ihre Schulter statt in ihr Gesicht. Sag schon, fordert ihr Blick. Sag es einfach.
„Am Abend nachdem ich zurückgekommen bin“, gesteht er schliesslich. Eine Weile starrt sie ihn an. Unfähig, zu sagen, was sie fühlt in diesem Moment. „Sex mit zwei Frauen innert 12 Stunden. Wow, du lebst wirklich den Traum!“ Sie dreht sich weg und geht in die Küche.
Sie schaut aus dem Küchenfenster ins Leere. Dann hört sie ihn in die Küche kommen. „Was willst du von mir, Alys?“ Er klingt resigniert. Sie dreht sich zu ihm um. Sein Blick tut weh. „Ich will, dass du etwas machst. Irgendetwas! Eliot Wagner war für mich immer ein Mann der Tat. Aber du mutierst gerade zum Klischee, spielst auf Zeit. Warum fragst du mich, was ich will? Die Frage ist, ob du weisst, was du willst.“
„Ich weiss nicht was ich will“, gibt er zu.
„Das ist ein Anfang. Dann finde es heraus. Aber in der Zwischenzeit werde ich dir nicht weiter dabei helfen, deine Verlobte zu betrügen. Ich kann das nicht und ich will es nicht.“
„Soll ich sie verlassen? Ist es das, was du willst?“
Tränen füllen ihre Augen. „Ich werde dich nie darum bitten! Das hab ich dir schon einmal gesagt. Als hör auf, mich danach zu fragen! Du musst wissen, was du willst. Aber du kannst nicht uns beide haben.“
Eliot atmet langsam aus. „Es ist wohl besser wenn ich jetzt gehe.“
Alys lässt die Arme sinken. „Ja, vielleicht.“ Er geht in den Flur und zieht seine Schuhe an. „Ich ruf dich an“, sagt er. „Wir müssen das Booklet durchgehen. Und über alles andere reden. Aber ich muss erst den Kopf frei kriegen.“
„OK“, sagt sie so ruhig wie möglich. Sie schaut zu, wie er seine Jacke anzieht und sich den Schal um den Hals wickelt. Er betrachtet ihr Gesicht und zögert. „Bis bald“. Er küsst sie flüchtig und ist weg.
*
Irina singt. Er hört sie zufrieden planschen. Sie liebt es, am Abend ein Bad zu nehmen. Heiss und mit viel Schaum. Manchmal gesellt er sich zu ihr, setzt sich mit einem Glas Wein in der Hand auf die Kante der Badewanne, hört ihr zu, wie sie mit munterer Stimme von Lillis Fortschritten erzählt, bewundert, wie die Kerzen, die sie immer aufstellt, ihre Haut zum Schimmern bringen. Ab und zu gesellt er sich auch ganz dazu, obwohl die Badewanne ein bisschen klein für sie beide ist. Noch sind sie jung genug für akrobatische Übungen. Heute Abend lässt er all das bleiben.
Er lauscht ihrer Stimme – jetzt summt sie – und hängt seine Jacke an den Kleiderständer. Sie scheint ihn noch nicht gehört zu haben. Der Sturm tobt immer noch in ihm während er seine Schuhe auszieht. Dieser Sturm von Gefühlen. Ein Teil von ihm schmerzt wegen Alys’ Zurückweisung, ein Teil von ihm ist wütend, ein weiterer Teil will zu ihr zurückrennen und sich entschuldigen für sein Verhalten. Zudem drangsaliert ihn seit schlechtes Gewissen gegenüber Irina, das er in den letzten Tagen einigermassen erfolgreich ausgeblendet hat. Und dann ist da noch die Stimme im Kopf, sie mäkelt, dass Alys Recht hat, so kann es nicht weitergehen, mach etwas, irgendetwas, es ist unfair, hör auf zu lügen.
Er wirft einen Blick ins Kinderzimmer, streicht der friedlich schlafenden Lilli durchs Haar. Wieder einmal ist er spät nach Hause gekommen, wieder einmal hab ich sie den ganzen Tag nicht gesehen.
Er öffnet die Tür zum Badezimmer einen Spalt weit. „Darling? Ich bin zuhause!“
„Hey“, sagt sie. „Ich bin gleich fertig. Es hat noch Lasagne übrig, falls du Hunger hast.“ Er hört in sich hinein, aber da ist kein Hunger. Da tobt immer noch der Sturm und nimmt alles ein. „Ich schau mal ... bis gleich.“
„Bis gleich.“ Er geht in die Küche und greift entschlossen nach der Whiskeyflasche im Küchenschrank. Danach setzt er sich mit dem Glas ins Wohnzimmer. Beruhige dich. Dann kommt Irina zu ihm, eine Tasse Tee in den Fingern. Wie immer umfasst sie die Tasse mit beiden Händen als wolle sie sie daran wärmen. Er liebt diese etwas kindliche Angewohnheit.
„Hallo.“ Sie beugt sich über ihn, um ihn zu küssen. Sie riecht nach ihrem Lieblingsbad. Honig und Rosen. Sie setzt sich, lässt sich in die Rückenlehne sinken. Ihre Füsse machen es sich auf seinen Knien
Weitere Kostenlose Bücher