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Sehnsüchtig (German Edition)

Sehnsüchtig (German Edition)

Titel: Sehnsüchtig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanne Woodtli
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Dienstagabend klingelt es kurz nach 21 Uhr. Das muss der Pizzabote sein. Sie hat endlich Hunger bekommen, sich aber nicht aufraffen können, an den Hauptbahnhof zu fahren. Und der Supermarkt in ihrem Quartier hat schon zu. Sie öffnet die Tür, das Portemonnaie schon griffbereit. Nein, der Pizzabote ihres Vertrauens hat nicht dieses viele, dunkle Haar und sein Blick brennt nicht auf ihrer Haut. Und er sagt nicht, „Hey Zuckerpuppe.“ Sie will ihn schelten, ich bin nicht deine Zuckerpuppe, nenn mich nicht so, aber sie ist froh, dass er da ist und dass er nicht wütend aussieht. Aber auch er sieht aus, als hätte er kaum geschlafen in den letzten Tagen. Oder gegessen. Wir müssen aussehen wie zwei Geister. Wobei er das attraktivere Gespenst abgibt als ich.
    „Hey. Ich dachte, du bist der Pizzabote.“
    „Lässt du mich trotzdem rein?“
    Sie macht einen Schritt zur Seite und er schiebt sich an ihr vorbei. Sie atmet seinen Duft ein. Kann man einen Duft vermissen? Sie hat mittlerweile rausgefunden, welches Parfum er verwendet. ‚Only the Brave’ von Diesel.
    „Du siehst müde aus“, sagt er.
    „Ich hab nachts gearbeitet. Ich konnte schlecht schlafen. Du siehst auch müde aus.“
    „Ich weiss – ich konnte auch nicht schlafen“, murmelt er. Eine Weile betrachtet er ihr Gesicht. Zieht sie an sich. Sie lässt sich umarmen. Er küsst ihren Mund, das sollte sie wohl nicht zulassen, aber ich hab dich vermisst, dann endet der Kuss auch schon. Er hängt seine Jacke an ihren Kleiderständer, eine selbstverständliche Bewegung mittlerweile.
    „Möchtest du Kaffee?“
    „Kann ich ein Bier haben?“ Er beugt sich nach den Schnürsenkeln seiner Chucks. Sie zögert.
    „Du sagtest in Frankreich mal, du wolltest weniger trinken.“ Er verdreht die Augen. „Alys ...“, sagt er bloss. Nur ihr Vorname, fast wie als Warnung. „Was?“, fragt sie irritiert. „Bekommst du das zuhause zu hören?“
    „Ja“, macht er, zieht den Laut in die Länge. Alys strafft ihren Rücken und blickt zu ihm auf. „Sie hat aber Recht, weisst du ...“
    „Ich weiss.“
    „Ich mach Kaffee“, beschliesst sie und marschiert in die Küche. Er widerspricht nicht. Ein kleiner Sieg. Aber es freut sie nicht. Er taucht im Türrahmen auf als sie an der Kaffeemaschine hantiert. „Ich hab etwas für dich“, er klingt jetzt wieder friedlich. Und er versteckt seine rechte Hand hinter seinem Rücken. „Das sind hoffentlich weder Rosen noch Pralinen.“ Er hebt eine Augenbraue, als würde es ihn erstaunen, dass die immer unkomplizierte, ihn anbetende Alys auch anders kann. Aber der Freitagabend nagt immer noch an ihr. Ich bin nicht dein Spielzeug und je eher du das merkst, desto besser.
    „Wäre das zu viel Klischee?“
    Sie nickt. Und ich lasse mich nicht mit Rosen und Schokoladenherzen abspeisen. „Keine Blumen. Und keine Schokolade“, verspricht er. Dann holt er seine Hand hinter dem Rücken hervor und hält ihr etwas hin. Es ist eine CD-Hülle mit einem zuversichtlich glänzenden Rohling darin. „No way out – Master“, steht auf der Etikette.
    „Das Album ist fertig!“ Er nickt. „Ich hab mich die letzten drei Tage mit Leo, einem Bekannten, in seinem Studio verschanzt. Er hat die Scheibe gemastert. Er ist ein Genie.“
    „Ich will gleich reinhören“, sagt sie. Die Begeisterung in ihrer Stimme scheint ihn nicht anzustecken. Obwohl doch eine Last von ihm abfallen muss, jetzt, wo das Album gemastert und bereit fürs Presswerk ist. Aber er sieht nicht glücklicher aus als vorher. „Freust du dich nicht?“
    „Doch, schon ...“ Er klingt nicht überzeugend. „Ich fühle mich irgendwie leer.“ Sie streichelt seinen Oberarm. „Es muss sich vielleicht erst einmal setzen.“ Sie greift nach den beiden Kaffeetassen und er folgt ihr ins Wohnzimmer.
    Sie schiebt die CD in ihre Anlage und dreht die Lautstärke auf. Das harte Riff von „Candy“ schallt durch den Raum. Dann setzt seine Stimme ein, sie geht ihr durch und durch und sie ist sich sicher, dass es auch anderen so gehen wird. „Es klingt super! Was sagt Irina dazu?“ Er nimmt einen Schluck Kaffee und blickt zum Fenster hinaus. „Sie hat es noch nicht gehört. Wir haben nicht damit gerechnet, dass wir heute fertig werden. Sie weiss es noch gar nicht. Aber sie wird einen Luftsprung machen, nehme ich an.“ Er hat ihr mal gesagt, dass Irina eine gewisse Abneigung gegen das Album entwickelt hat, weil es in ihren Augen der Grund für all die Schwierigkeiten und Streitigkeiten in der

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