Sehnsüchtig (German Edition)
will nach Hause“. Mascha angelt nach Frederics Hand. Sie hat deutsch gesprochen und zwinkert Alys bei ‚Nacht der Nächte’ zu. Alan bemerkt es nicht. Maschas Marienkäfer ist halb im Sofa versunken und rappelt sich ungeschickt wieder auf. Seine Augen sehen etwas gläsern aus. „Warum nennst du ihn Marienkäfer?“, hatte Alys sie mal gefragt. Zum Glück nennt sie ihn nicht ‚Schatz’. Alys ist allergisch auf ‚Schatz’, das ist der biederste alltäglichste Kosename überhaupt. „Weil er so harmlos ist und keinem was zuleide tun kann, wie ein Marienkäfer halt, und wegen dem roten Haar, wahrscheinlich.“
„Und ein Symbol für Glück“, hatte Alys gesagt und Mascha nickte.
Frederic schwankt ein wenig und lässt sich von Mascha aus der Wohnung lotsen. Ihr Gleichgewicht ist noch völlig intakt, sie hat trotz Schnee nicht auf ihre neuen 14-Zentimeter-Louboutins verzichtet, für die Frederic einen grossen Teil seines Dreizehnten geopfert hat. Dann fällt die Tür hinter den beiden ins Schloss. Der Moment der Wahrheit ist gekommen. Alys lässt sich aufs Sofa sinken, rafft allen Mut zusammen, den sie finden kann – beruhige dich – schenkt sich das Glas noch einmal voll. Sie hört Alan in der Küche fuhrwerken, er räumt offensichtlich die Spülmaschine ein. Sie nimmt einen Schluck, geht ins Bad, wäscht sich die Hände, sie fühlen sich feucht an. Betrachtet einen Moment lang die Frau im Spiegel. Sie sieht etwas ängstlich aus. Das Mädchen mit den ängstlichen Augen. Alys verdrängt den Gedanken und strafft ihren Rücken. Dann geht sie in die Küche. Sie legt ihre Arme von hinten um Alan und er hält in seinem Tun inne. „Lass uns das morgen machen.“
Er lehnt sich in ihre Umarmung hinein. „Was möchtest du sonst machen?“ Seine Stimme klingt etwas heiser. Bist du auch so aufgeregt? Seine Stimme und die Wärme seines Körpers an ihrem lösen etwas in ihr aus, das sie viele Monate lang vergessen oder verdrängt hatte. „Kürzlich sagte ich ‚bald’ ...“ Sie lässt ihre Stimme dunkel klingen und ihr Mund findet sein Ohrläppchen. Sie hört ihn Luft holen. „Ich erinnere mich“, bringt er hervor. Sie fühlt seinen Puls unter ihrem Mund. „Heute ist ‚bald’“, wispert sie gegen seine Haut. Er dreht sich um und sie findet sich an seiner Brust wieder. Sein Mund findet ihren. Sie macht die Augen zu, lässt es geschehen, macht mit. Die Angst macht etwas anderem Platz.
Alan schiebt sie rückwärts durch die Küche, durch den Flur, Richtung Schlafzimmer. Seine Hände sind überall, aber nicht gierig. Sie erforschen, sie bewundern. Es ist anders mit Alan. Sie verbietet sich hartnäckig jeden Vergleich mit dem letzten Mann, der sie geliebt hat. Sie konzentriert sich auf Alan und auf das, was seine Berührungen in ihr auslösen. Er fasst sie an als wäre sie etwas Kostbares, etwas, das unter seinen Händen zerbrechen könnte. Die Lust in seinen Augen mischt sich mit Bewunderung wenn er sie betrachtet. Es ist anders. Aber das ist gut so. Alles ist gut.
*
Am nächsten Morgen blickt ihr ein glückliches Gesicht aus dem Spiegel entgegen. Sie kennt den Effekt, einige nennen es ‚Nachglühen’. Sie beschliesst, demnächst zum Frauenarzt zu gehen und sich wieder die Pille zu holen. Das würde alles einfacher machen und es sieht jetzt doch danach aus, als würde das mit Alan etwas Ernstes werden. Der Gedanke an ‚mein Freund’ in der Verbindung mit Alan erschreckt sie zwar ein wenig, aber nach acht Jahren Single-Dasein ist das wahrscheinlich normal. Sie hat vergessen, wie es sich anfühlt, in einer Beziehung zu sein. Eigentlich hast du es gar nie richtig gekannt, korrigiert sie sich. Die Beziehung mit Simon damals dauerte nur knapp vier Monate. Die Gesichter ihrer Männer flackern durch ihre Gedanken. Viele waren es nicht gewesen. Sechs, mit Alan. Ben, Simon, Nils, Janosch, Eliot, und jetzt Alan. Mit fast 29 ist das vertretbar. Sie bereut keinen davon, auch wenn die ersten vier sie nicht wirklich wollten. Darüber, was Eliot gewollt hat, denkt sie nicht mehr nach. Das hat sie zu oft und zu lange getan. Jetzt ist ein neues Jahr. 2013. Ein Neuanfang. Vielleicht mit Alan.
Sie findet Alan im Schlafzimmer. Er sitzt im Bett und scheint die Einrichtung zu studieren. Er sieht es zum ersten Mal bei Tageslicht. Als sie von ihrer Reise zurückgekommen war, hatte sie sich ein neues Bett gekauft und die Elfe an der Wand übermalt. Irgendwie ertrug sie ihr altes Schlafzimmer nicht mehr. Die Wände sind
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