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Sei dennoch unverzagt: Gespräche mit meinen Großeltern Christa und Gerhard Wolf (German Edition)

Sei dennoch unverzagt: Gespräche mit meinen Großeltern Christa und Gerhard Wolf (German Edition)

Titel: Sei dennoch unverzagt: Gespräche mit meinen Großeltern Christa und Gerhard Wolf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Simon
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sehr oft die einzige Frau in einem Gremium oder in einem Vorstand war. Vorher hatte man immer überlegt: Mann, hier ist gar keine Frau! Wen nehmen wir denn da? Ach, die Christa Wolf! Das habe ich auch bewusst ausgenutzt, die Genossen durften mich als Frau nicht herabsetzen, obwohl sie das manchmal gern gemacht hätten. Die Partei verbot das. Sie mussten froh sein, dass überhaupt eine Frau da war, und mussten die auch fördern. Insofern hatte ich persönlich nicht das Gefühl, benachteiligt zu sein. Andererseits trug ich natürlich über längere Zeit die typische Doppelbelastung als Schriftstellerin und Mutter. Als ich Redakteurin bei der Neuen deutschen Literatur war, kam ein alter Genosse, ein alter Antifaschist, und sagte zu mir, er brauche eine Cheflektorin im Verlag Neues Leben. Das sollte ich sein. Ich war 26 und zweifelte daran, dass ich diesen Posten schon übernehmen könnte. Da hieß es: Na hör mal zu, du als Frau musst das jetzt machen! Also habe ich es gemacht, merkte aber schnell, dass ich überfordert war. Ich konnte Bücher lektorieren, aber ich schaffte es nicht, den ganzen Verwaltungsapparat zu führen und auch noch die Mitarbeiter anzuleiten. Dann kündigte sich zum Glück Tinka an, und ich sagte, das schaffe ich nicht – zwei Kinder und diesen Posten. Ich warf nach verhältnismäßig kurzer Zeit hin.
    JS     War dir bewusst, dass du eine Ausnahme warst, als einzige Frau, die für solche Posten in Frage kam?
    CW     Damals war ich noch eine Ausnahme. Die Frauen aus meinem Studienjahr wurden alle Assistentinnen an der Universität. Auf dem Gebiet der Kulturpolitik gab es nicht so viele. Hans Mayer hatte auch mir angeboten, nach meinem Staatsexamen als Assistentin zu bleiben und meinen Doktor zu machen. Das wollte ich aber nicht. Mir war klar, dass ich nicht als Wissenschaftlerin arbeiten wollte. Die Germanistik hatte angefangen, mich zu langweilen. Ich fragte mich, was soll ich eigentlich mein Leben lang über andere Bücher und Schriftsteller schreiben? Nach zwei Jahren Studium geriet ich in eine richtige Krise. Ich dachte, das ist doch kein Beruf. Ich hatte schon die Idee, aufzuhören und Psychologie zu studieren. Das interessierte mich. Auf alle Fälle hatte ich vor, einen lebendigen Umgang mit der Literatur und mit den Autoren zu pflegen. Damals war ich selbst ja noch keine Schriftstellerin. Wenn ich schon Kritiken schreiben würde, dann wollte ich auch die Autoren kennenlernen. Das bot die Stelle im Schriftstellerverband. Anfang der sechziger Jahre wurde ich freischaffend, da war es auch mit den Kindern nicht mehr so schwierig. In Halle brachte ich Tinka zum Kindergarten. Wenn Mann und Frau zu Hause arbeiten, lassen sich intensive Berufstätigkeit, gesellschaftliche Arbeit und Versammlungen eher mit Kindern vereinbaren. Auch wenn wir oft unterwegs waren.
    JS     Das ist ein bisschen wie bei uns. Frank und ich arbeiten auch von zu Hause aus.
    CW     Ja, daran muss ich oft denken. Obwohl ihr beide auch sehr eingespannt seid, besonders durch das viele Reisen, werdet ihr dennoch wahrscheinlich leichter mit der neuen Situation umgehen können.
    JS     Zu Hause kann man sich die Zeit mit einem Kind besser einteilen, als wenn man jeden Tag von neun bis 17 Uhr in ein Büro gehen muss.
    CW     Du musst dein Kind nirgendwo hingeben, wo es nicht wirklich gut betreut wird.
    JS     Fühltest du dich immer als emanzipierte Frau?
    CW     Ich weiß nicht genau, wann das Wort emanzipiert in meinen Wortschatz gelangte. Wenn du so willst, empfand ich mich als mitten im Leben stehend. Emanzipiert insofern, wenn ich mich mit der Generation meiner Eltern vergleiche. Wobei meine Mutter mir ein bestimmtes Frauenbild vorlebte. Sie war Geschäftsfrau, voll berufstätig, besonders im Krieg. Der Hauptkummer meiner Kindheit war, dass meine Mutter so wenig für uns da war. Nur wenn eine Katastrophe ausbrach, erschien sie. Als mein Bruder zum Beispiel die Hand auf die heiße Herdplatte gelegt hatte. Nie wurde mir vermittelt, dass man als Frau zu Hause hocken und Strümpfe stopfen sollte. Im Grunde war meine Mutter stärker als mein Vater. Das hat sich mir mit der Luft eingeflößt. Bei Gerd und mir war es ganz selbstverständlich. Er wäre nie auf die Idee gekommen zu sagen, nun bleib du mal zu Hause. Es wurden immer Wege gesucht, dass beide arbeiten konnten oder eben abwechselnd. Als ich zu Ende studiert hatte, arbeitete ich und verdiente das Geld, und Gerd konnte in Berlin zu Ende

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