Sei lieb und büße - Thriller
Oder deine Busenfreundin Céline? Was seid ihr nur für ein widerliches Pack! Ihr merkt nicht mal, dass ihr mindestens genauso zickig seid wie wir. Ihr geht mir total auf die Nerven. Wir stehen wenigstens dazu. Wir machen uns sogar einen Spaß daraus, euch durch unser Auftreten zu provozieren. Aber du und deine Freundinnen, ihr seid scheinheilig und falsch. Ihr tut so nett und angepasst, doch in Wahrheit seid ihr viel schlimmer als wir. Ja, liebe Gabriele, ich erinnere mich genau an meine Anfangszeit. Ich weiß noch, wie ich bei euch abgeblitzt bin. Offenbar war ich euch nicht gut genug.
Jemand dreht den Wasserhahn auf und kurz darauf wieder zu. Der Papierrollenhalter rattert.
»Jetzt komm schon!« Gabrieles Stimme ist ungeduldig. »Céline will mit uns reden. Wegen Sina. Und halte dich ja mit deiner Gutmenschmasche zurück. Sina hat eine Abreibung verdient.«
Aha. Krisentreffen wegen Sina. Sehr gut. Céline muss mächtig wütend sein. Kein Wunder. Wer wird schon gern für was bestraft, was er nicht getan hat?
Als die Tür ins Schloss fällt, drücke ich die Spülung. Wie selbstverständlich Sina Céline verdächtigt hat. Laureen ist wirklich ein Genie. Ein paar geschickt platzierte Bemerkungen und schon ist alle Aufmerksamkeit auf die falsche Person gerichtet. Und die Idee mit dem Zuckerwasser war grandios. Vor allem der Vorschlag, die Flasche in Célines Tasche zu schmuggeln.
Ich wasche mir die Hände, halte sie unter den kalten Strahl. Das Wasser läuft plätschernd durch meine Finger. Ich bewege sie und mit jeder Bewegung leite ich das Wasser in eine andere Richtung. So ähnlich funktioniert das mit Sina.
Céline wird die Schmähung nicht auf sich sitzen lassen. Im Gegensatz zu Sina weiß Céline, dass sie es nicht gewesen ist. Sie wird Sina aus der Mannschaft jagen und dafür sorgen, dass sie in der Schule keinen Fuß mehr auf den Boden bekommt.
Der Krieg ist eröffnet. David gegen Goliath. Und jeder weitere Schachzug wird Sina weiter in unsere Ecke drängen. Sie wird uns glauben und sie wird uns vertrauen und sie wird all das tun, was wir von ihr verlangen.
21
Kaum öffnet Sina die Wohnungstür, schießt ihre Mutter auf sie zu. Ihr Blick ist lauernd. Und noch bevor sie den Mund öffnet, weiß Sina, welche Frage sie gleich stellen wird.
»Wo ist die Jacke?«
»Bei Tabea. Sie hat vergessen, sie heute mitzubringen.« Sina drängelt sich an ihrer Mutter vorbei zur Garderobe und streift ihre Ballerinas ab.
»Warum hast du sie nicht nach der Schule geholt?«
»Das ging nicht«, antwortet Sina, während sie ihre Jeansjacke an den Haken hängt. »Ihre Mutter hat sie heute Mittag abgeholt. Sie sind zu ihrer Oma gefahren.«
»Heißt das, dass du die Jacke erst am Montag wiederbekommst?«
Sina dreht sich um und stellt sich dem Blick ihrer Mutter. »Leider, ja.«
»Das darf doch nicht wahr sein. Ich möchte, dass du die Jacke holst. Jetzt sofort. Ruf sie an, sie sollen umdrehen, egal was.«
»Aber –«, sagt Sina, doch sie weiß, dass sie bereits verloren hat.
»Kein Aber. Sofort.«
Ziellos schlendert Sina die Straße entlang. Zu Tabea zu gehen würde nichts bringen, sie hat Nachhilfe. Abgesehen davon ist die Jacke ohnehin nicht dort. Sie bleibt stehen. Die Reinigung. Sie könnte nachfragen, wann die Jacke fertig ist. Vielleicht hat sie Glück und kann sie gleich mitnehmen. Beherzt ändert sie die Richtung und steuert auf die Bushaltestelle zu.
Im Stadtzentrum steigt sie aus, läuft durch die von Betonblumenkübeln gesäumte Fußgängerzone, vorbei an mit Geranien behängten Fachwerkhäusern und biegt am Marktplatz in die Schulgasse ab. Obwohl das Wetter schön ist und die Straßencafés geöffnet sind, sitzen nur wenige Gäste an den Tischen.
Warum bloß hat sie Melles Einladung nicht angenommen? Sie könnte schon auf dem Weg nach Berlin sein. Eintauchen in das ewige Gewimmel von Menschen, die es eilig haben. Vielleicht kann sie noch umdisponieren. Den Abendzug nehmen und Kranbach, Céline und die blöde Jacke hinter sich lassen. Ihr Vater kommt heute zurück. Es gibt für sie keinen Grund, hierzubleiben. Außer das Spiel morgen. Sie lässt die Schultern hängen. Das Spiel. Ihr Vater wird sie nicht fahren lassen. Er hat versprochen mitzukommen, um sie anzufeuern. Er wird ihr nicht erlauben, ihr Team im Stich zu lassen. Team. Von wegen. Sina kräuselt die Nase. Das Letzte, was sie jetzt braucht, ist ein öffentliches Zusammentreffen mit Céline, noch dazu unter den wachsamen Augen ihres Vaters.
Sie
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