Sei lieb und büße - Thriller
tatsächlich wieder so gut wie neu aussieht, streicht Sina mit den Fingerspitzen über die gereinigte Stelle. »Das ist super«, sagt sie erleichtert. »Was schulde ich Ihnen?«
»Siebzehn fünfzig.«
Sina kramt das Geld zusammen und zählt es auf die Theke. Die restlichen Cents schüttet sie auf ihre Handfläche und steckt den leeren Geldbeutel in die Tasche zurück. Dann stürmt sie fröhlich aus der Reinigung und läuft zur gegenüberliegenden Eisdiele, wo Max und Ben auf einer niedrigen Steinmauer sitzen und hingebungsvoll an ihren überdimensionierten Eiskugeln lecken.
Sina drückt Max ihr restliches Geld in die Hand.
»Wofür ist das?«
»Bens Eis.«
»Achtundzwanzig Cent für zwei Kugeln in der Waffel?«
»Den Rest bringe ich morgen mit, die Reinigung war teurer als gedacht.« Sie linst sehnsüchtig auf Max’ Eis. Heidelbeere und Cookies & Cream, ihre Lieblingssorten.
»Du hast die Jacke!« Begeistert springt Ben von der Mauer und hüpft um Sina herum.
»Bleib bloß weg mit deinem Eis!« Sina streckt die Hand aus. »Lass mich lieber mal lecken.«
Ben hält ihr sein Eis hin, doch Max geht dazwischen. »Nee, so nicht, Fräulein. Erst muss der Kerl seine Kugeln hart verhandeln und jetzt willst du sie ihm wegschlabbern? Ich kenn das. Wenn große Schwestern vom Eis beißen, bleibt nichts übrig.« Er zieht einen Fünfeuroschein aus der Anzugtasche. »Hol dir ein eigenes.«
Sina zögert einen Moment, doch dann gewinnt der Eishunger. Cookies & Cream. Zwei Kugeln. Die hat sie sich verdient. Schwer verdient. Sie nimmt das Geld und holt sich ein Eis, das beste Cookies & Cream, das sie je gegessen hat.
29
23. April 2011, Viertel vor sieben
Irgendwie wird das nichts mehr mit dem regelmäßigen Schreiben. Aber diesmal lag es nicht an Rik, sondern am Lernstress fürs Abi.
Heute war ein blöder Tag. Rik und ich hätten uns fast in die Haare bekommen, das erste Mal, seit wir zusammen sind. Wegen Dickie.
Er kam heute Morgen in die Küche, als Rik und ich gerade gefrühstückt haben. Ich hatte nur ein altes T-Shirt von Rik an und habe auf seinem Schoß gesessen und ihn mit Rührei auf Toast gefüttert und dabei hatten wir ziemlich viel Spaß. Ich dachte, Dickie wäre nicht da, er wollte alte Freunde besuchen und über sein Leben nachdenken. Das hatte er zumindest gesagt.
Wenn ich gewusst hätte, dass er da ist, hätte ich mich nicht auf Riks Schoß gesetzt. Dabei ist es genau das, warum ich mit Rik so glücklich bin. Mit ihm ist so was total selbstverständlich. Mit Dickie wäre das nie gegangen. Im Kopf waren wir uns zwar nah, aber körperlich war da eine richtige Sperre. Inzwischen verstehe ich ja, warum, aber früher dachte ich immer, es wäre wegen mir.
Rik ist so locker, wie Dickie gehemmt ist. Ich will jetzt nicht über Dickie lästern. Ich weiß ja, dass er ein Problem hat. Und er ist der süßeste und freundlichste und zuverlässigste Mensch, den ich kenne. Aber trotzdem benimmt er sich gerade etwas albern.
Als Dickie uns gesehen hat, ist er sofort wieder gegangen, aber dann kam er kurz darauf zurück und hat sich an den Tisch gesetzt und gesagt, dass Rik zwei Möglichkeiten habe: Entweder würden wir diese öffentliche Zurschaustellung unseres Glücks (das hat er wirklich gesagt, so typisch Dickie) in der gemeinsamen Küche unterlassen oder er löse die WG auf. Rik hat natürlich total sauer reagiert. Er dachte ja auch, Dickie wäre nicht da, und kam sich überrumpelt vor.
Ich habe versucht einzulenken, aber er hat mich nur ignoriert, so wie bei jedem Aufeinandertreffen, seit er zurück ist. Zu Rik ist er zwar höflich, doch die Freundschaft hat definitiv einen Knacks. Vielleicht war sein Ultimatum heute so was wie ein Test, um herauszufinden, wie Rik zu ihm steht.
Ich habe dann zu Rik gesagt, dass wir uns bei mir treffen können, wenigstens solange Mama und Papa weg sind, die sind ja gestern endlich nach Amiland aufgebrochen und kommen erst am Tag der letzten Abiprüfung wieder. Aber davon wollte Rik nichts wissen, so hat er sich geärgert. Als ob er mit Dickie einen Machtkampf austragen müsste. Total blöd. Ich finde es legitim, dass Dickie uns sagt, wenn etwas nicht geht.
Dickie ist dann in sein Zimmer und hat auf seiner Gitarre sein Xavier-Naidoo-Songbook von vorn nach hinten durchgespielt und ich habe Rik gleich für heute Abend zu mir eingeladen. Erst hat er rumgezickt, aber dann konnte ich ihn doch noch mit einem Auberginenauflauf locken. Sollte mal danach sehen, das ganze Haus duftet
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