Sei lieb und büße - Thriller
dieser Cruella auf sich? Was hat sie getan, das Mia in den Tod treiben konnte?
»Interessant, nicht?« Tabea zeigt auf den Nachsatz über Max. »Ich würde sagen, das erklärt auch, warum der gute Rik seine Notizen in CD-Hüllen und Schreibtischunterlagen versteckt. Wir sollten Max im Auge behalten.«
Plötzlich hat Sina einen Kloß im Hals. Max ist Frederiks Freund. An seinem Bett hat er sich so … betroffen angehört. Als ob Frederiks Unfall ihn wirklich mitgenommen hätte. Oder war er betroffen, weil er mit eigenen Augen sehen musste, was er angerichtet oder mitverschuldet hat? Sie denkt an die Grübchen in seinen Wangen, das breite Grinsen, als Ben ihr die Extrakugel Eis abgeschwatzt hat. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Max in die Sache verwickelt ist.«
»Warum? Ich dachte, du kennst ihn kaum?« Tabea klopft auf den Nachsatz der Liste. »Rik hält ihn für verdächtig. Er muss es wissen.«
»Trotzdem –«
»Egal. Vergiss Max«, unterbricht Tabea sie. »Er ist nicht wichtig. Céline steht an erster Stelle. Sie ist seine Hauptverdächtige.«
»Das hätte ich mir denken können«, sagt Sina und spürt die Wut, die in ihr brodelt wie Lava.
»Reicht dir das, um sie zur Rede zu stellen?«
Sina nickt. Am liebsten möchte sie sofort zu Céline. Mit der Liste, mit ihrer Wut, mit ihrem Wunsch, Frederik zu beschützen und das Richtige zu tun.
Gerade noch rechtzeitig schlüpft Sina in die Wohnung. Aus dem Wohnzimmer hört sie das ungeduldige Rufen ihrer Mutter.
»Sina?«
Sie läuft über den Flur und steckt ihren Kopf durch die Tür. »Ja?«
»Weißt du, wie spät es ist?« Ihre Mutter zeigt anklagend auf die Uhr.
»Genau zehn«, sagt Sina.
»Es ist mitten unter der Woche.«
»Mama! Ich bin siebzehn!«
»Du hast morgen Schule und ich habe den Eindruck, dass du viel zu wenig dafür tust.«
»Meine Noten sind in Ordnung.«
»Sagst du «, schnappt ihre Mutter. »Aber ich weiß nichts über deine neuen Lehrer und deine Leistungen. Du kannst nicht erwarten, dass du hier ohne Mehraufwand die gleichen Noten schreibst wie in Berlin. Jede Note zählt zu deinem Abitur, vergiss das nicht.«
Sina schnauft. »Ist es jetzt meine Schuld, dass wir ausgerechnet ein Jahr vor meinem Abi das Bundesland wechseln mussten?«
»Bedank dich bei deinem Vater.« Ihre Mutter setzt sich kerzengerade in ihrem Sessel auf. »Er hat uns das eingebrockt.«
»Ist gut, das haben wir schon hundertmal durchgekaut. Jetzt sind wir hier. Schluss, fertig.« Sina merkt, wie ungehalten sie wird, und presst die Lippen zusammen. Das Letzte, was sie braucht, ist ein Streit mit ihrer Mutter. »Ich geh ins Bett, gute Nacht.«
In ihrem Zimmer fährt sie den Computer hoch. Melle ist online.
Sina: Hi, Melle, muss dir was erzählen.
Melle: Dito. Erinnerst du dich an Lukas?
Sina: Klar.
Melle: Wir sind zusammen :-)
Sina: Bingo! Den fandest du letztes Jahr schon so süß.
Melle: Megasüß. Das Beste: Er ist auf der Klassenfahrt nach Leipzig dabei.
Sina: Du Glückliche!
Melle: Seufz … Und du? Neuigkeiten von Frederik?
Sina pult eine Papierkugel aus dem Stifthalter und schnipst sie über den Tisch.
Sina: Unverändert. Erinnerst du dich an die Notiz in der CD, von der ich erzählt habe?
Melle: Yep.
Sina: Wir haben heute eine zweite gefunden. Wahrscheinlich hat Rik sich vor dem Unfall mit Céline getroffen.
Sie hört Schritte im Gang.
Sina: Muss aufhören!
Mit geübtem Griff schaltet sie den Bildschirm aus, löscht das Licht und huscht ins Bett, gerade rechtzeitig, bevor ihre Mutter die Tür öffnet. Mehrere Sekunden verharrt sie dort, während Sina sich darum bemüht, gleichmäßig zu atmen, und hofft, dass ihre Mutter sie nicht anspricht. Endlich schließt sich die Tür. Die leichte Sommerdecke bis zum Kinn hochgezogen, bleibt Sina reglos liegen. Ihre Gedanken springen wie Flöhe von A nach B und hinterlassen Zweifel, unangenehm und lästig wie juckende Stiche. Wieso hat Max ihr die Gossip-CD gegeben, wenn er weiß, dass Rik sie nicht mag? Weshalb hat er nicht reagiert, als sie ihm von der Notiz erzählt hat? Und warum hat er die anderen CDs durchsucht? Allein. Bevor Tabea und sie eine Chance hatten, etwas zu finden.
Was hat Cruella getan? Was hat Max mit Cruella zu tun?
Ungestüm schlägt sie die Decke zurück und strampelt sich frei. Es ist viel zu warm im Zimmer. Aufstehen? Das Fenster zumachen? Zu anstrengend. Sie zählt bis einhundert und wieder zurück, versucht einzuschlafen, doch sie kann den Drohbrief nicht vergessen. Wer
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