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Sei lieb und büße - Thriller

Sei lieb und büße - Thriller

Titel: Sei lieb und büße - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loewe
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Aber da war es dann schon zu spät. Da war es bereits passiert und wir wissen beide, dass es nicht gut geendet hat.«
    Ich habe plötzlich das Gefühl, der Raum ist zu klein für uns alle. Ich ersticke. An dem, was ich aus mir herausschreien möchte. Sie lügen, scheiß auf das Du, Sie lügen, lügen, lügen! So wie Ihr Sohn! Vor nichts schreckt er zurück, um sich selbst besser darzustellen, nicht einmal vor solchen Verleumdungen. Kein Wunder, dass Clemens geschworen hat, in Kranbach nie wieder einen Fuß auf den Boden zu setzen.
    »Geht es dir nicht gut?« Ihr aufmerksamer Blick richtet sich erneut auf mich.
    »Alles bestens«, nuschle ich, stehe aber trotzdem auf, schwanke, als wollte ich meine Worte Lügen strafen. »Ich muss nach Hause.«
    »Schade. Aber schön, dass du –« Sie verstummt und beugt sich abrupt nach vorn. »Hast du das gesehen?« Ihre Stimme ist heiser vor Aufregung.
    »Was?«
    »Er hat sich bewegt.« Sie beugt sich über Rik, berührt ihn sanft. »Rik? Rik, Liebling, kannst du mich hören?«
    Wie gelähmt beobachte ich die Szene. Was, wenn er wirklich aufwacht? Sich erinnert? Was, wenn er mich gesehen hat? Wenn das Letzte, was er gesehen hat, ich gewesen bin?
    »Rik, Schätzchen? Liebling? Ich bin hier. Mama. Wenn du mich hören kannst, dann versuch, mir ein Zeichen zu geben. Ich lege meine Hand in deine, vielleicht kannst du sie ganz leicht drücken. Oder die Augen öffnen?«
    »Meinen Sie nicht –«
    Dann schlägt er die Augen auf. Sieht seine Mutter. Sieht mich. Und ich sehe, wie sein Blick sich verändert. Ich sehe in seine Augen und sehe mich. Meine Hand, die das Seil straff zieht, das ihm zum Verhängnis wird. Sehe, wie er durch die Luft fliegt, auf dem Asphalt landet, wie die Wucht des Aufpralls ihn wie einen Gummiball zurück in die Luft katapultiert, bevor er einen Meter weiter mit dem Kopf voran gegen die Absperrung prallt und schließlich auf den Boden rutscht. Schnell weiche ich zurück. Aus seinem Blickfeld. Stammle eine Entschuldigung und renne aus dem Zimmer.
    Ich renne den Flur entlang und die Treppe hinunter, renne durch die Eingangshalle und den Krankenhausgarten, renne die Straße entlang und bleibe erst wieder stehen, als meine Lunge zu platzen droht. Dann ziehe ich mein Handy aus der Tasche und wähle ihre Nummer, obwohl ich nicht in der Lage bin, etwas zu sagen.

SONNTAG, 17.   JUNI
    43
    »Mann, echt, schau dir mal diese Sauerei an!«
    Sina steigt über die Kleider auf ihrem Zimmerboden und geht zu ihrem Schreibtisch. Alle Schubladen sind geöffnet, der Inhalt ist auf dem Boden verstreut. Bücher, Stifte, Papiere und anderer Kleinkram liegen auf einem Haufen, als wolle jemand damit ein Feuer entfachen. Auf dem Teppich vor ihrem Schrank herrscht ein wildes Durcheinander aus T-Shirts, Pullovern, Hosen, Schuhen. Wütend kniet Sina sich vor den Haufen und beginnt zu sortieren.
    »Ich helfe dir, Schatz.« Mit knackenden Gelenken geht ihr Vater neben ihr in die Hocke und greift nach einem Buch.
    Sina bündelt die verstreuten Kleider, steht auf und trägt sie stampfend zu ihrem Bett. »Jetzt kann ich alles wieder falten.«
    »Zusammen haben wir das gleich.«
    »Oh Mann! Mein neuer Rock ist weg! Echt, Papa, es reicht. Ich habe so die Schnauze voll. Sie kann mir nicht meine Sachen wegnehmen! Die blöde Lederjacke kann sie ja in die Altkleidersammlung geben, wenn sie sie mir nicht gönnt, aber nicht den Rock!«
    »Der findet sich wieder, ich frage sie nachher, wo sie ihn hingetan hat. Und im Notfall kaufe ich dir einen neuen«, versucht ihr Vater sie zu beruhigen und legt die Bücher auf einen Stapel.
    »Den kannst du mir nicht neu kaufen, das ist ein Designerrock. Den habe ich von einer Freundin.«
    Ihr Vater hält beim Sortieren der Stifte inne. »Wirklich? Das freut mich! Dann hast du also endlich eine Freundin gefunden? Wie heißt sie denn?«
    »Tabea.« Das altbekannte Gefühl der Ohnmacht überrollt sie so heftig, dass sie ein T-Shirt zusammenknüllt und es in die Ecke pfeffert. »Dank Mama ist sie jetzt wahrscheinlich nicht mehr meine Freundin.«
    »Was hat das mit Mama zu tun?«
    »Sie hat mir die einzige Verabredung versaut, die ich in fünf Monaten hatte. Ich durfte nicht einmal absagen. Was meinst du, wie das kommt, wenn man gleich beim ersten Mal nicht auftaucht? Noch dazu, wenn man Freikarten geschenkt bekommt. Und jetzt ist auch noch mein Akku weg!« Sina legt das Shirt auf den Stapel zu den anderen und fischt das nächste aus dem Kleiderhaufen. »Weißt du, Papa,

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