Sei lieb und büße - Thriller
es anfangs nicht glauben, aber ich wusste schon immer, dass dieser Moment kommen wird. Du bist eben nicht aus dem gleichen Holz geschnitzt wie wir. Hör mir also gut zu: Ein Wort zu irgendjemand und du ganz allein wirst die Verantwortung für Riks Tod übernehmen.« Sie zieht ihr Smartphone hervor und hält es mir hin. Ich erkenne den Posteingang meines E-Mail-Accounts. Das allein ist keine Kunst, Laureen hat mein Passwort. Ich habe es ihr vor ein paar Monaten gegeben, weil sie eine Mail für mich abrufen sollte, als ich keinen Internetzugang hatte. Sie tippt auf den Ordner »Gesendet« und hält mir den Bildschirm erneut vor die Augen. »Du hast mir vorhin eine interessante Mail geschrieben. Offenbar musstest du dein Gewissen erleichtern. Das wird die Polizei sicher sehr interessant finden. Meinst du nicht?« Dann zwinkert sie Bessy zu. »Erinnerst du dich noch an Dienstagabend vor zwei Wochen?«
»Natürlich«, antwortet Bessy sofort. Die Blässe ist fast vollständig aus ihrem Gesicht verschwunden. Stattdessen erscheint nun ein gehässiges Grinsen auf ihren Lippen. »Wir haben zusammen Bio gelernt. Wir haben Tabea gefragt, ob sie mitmacht, aber sie wollte sich mit Rik im Kremelwald treffen …«
Obwohl ich mich wie gelähmt fühle, drehe ich mich auf dem Absatz um und laufe zur Straße zurück. Ich Idiot! Wieso habe ich das Passwort nie geändert? Ich hätte wissen müssen, dass Laureen nicht unvorbereitet zu dem Treffen kommen würde, dass ich nur verlieren kann. Die Äste schlagen mir ins Gesicht, ein Zweig erwischt mich am Auge. Der plötzliche Schmerz lässt mich aufheulen und ich spüre meine Machtlosigkeit und meine Wut. Auf Laureen und auf Bessy und auf mich selbst.
50
»We were never meant to be lovers …«
Obwohl der Regler schon fast am Anschlag ist, dreht Sina die Lautstärke noch höher und singt die Liedzeile mit, gefangen von Maria Menas trauriger Stimme. Mit dem Ärmel wischt sie die Tränen von ihrem Gesicht. Genug geweint. Genug. Genug. Als wollten sie sie verhöhnen, fließen die nächsten Tränen ungebremst über ihre Wangen. »… never meant to be lovers.« Schicksal? Gibt es so etwas? Waren Frederik und sie einfach nicht füreinander bestimmt gewesen?
Sie checkt ihren Facebook-Account. Noch immer keine Bestätigung für ihre Freundschaftsanfrage an BabyG. Was soll sie nur machen? BabyG konnte alle möglichen Lügen über sie verbreiten und sie würde sich nicht einmal wehren können.
Der letzte Akkord verstummt. Sina tippt den Bildschirm ihres iPods an und spielt das Lied erneut ab. Doch dann zieht sie mit einem Ruck die Stöpsel aus ihren Ohren. Schluss damit. Auch wenn ihre Mutter sagt, sie habe das Recht zu trauern. So darf sie sich nicht gehen lassen. Ihr Handy klingelt.
»Hallo?«
»Sina, Laureen hier.«
»Hallo.«
»Du bist nicht mehr in den Unterricht zurückgekommen. Geht es dir nicht gut?«
»Nicht so.«
»Das mit Rik nimmt dich ganz schön mit, oder?«
»Schon.«
»War für uns alle ein ziemlicher Schock. So kurz, nachdem er aufgewacht ist. Wir dachten, er würde bald wieder gesund sein.«
»Ich …« Umständlich räuspert Sina den Frosch aus ihrem Hals heraus. »… auch.«
»Ich ruf nur an, um zu sagen, wenn du jemanden zum Reden brauchst oder Hilfe oder so, dann melde dich. Bessy und ich sind für dich da.«
Erneut steigen Tränen in ihre Augen. Laureen und Bessy sind für sie da. Sie würden ihr helfen, mit BabyG fertig zu werden. Wenn jemand das schaffen konnte, dann Laureen.
»Danke. Das ist lieb von dir.« Sie schlurft mit dem Telefon ins Badezimmer.
»Ach, da ist noch was. Hast du mit Tabea gesprochen?«
»Nein. Nicht seit gestern früh.«
»Ich mache mir Sorgen um sie. Bessy auch. Sie ist seit Riks Tod wirklich seltsam. Ganz verändert. Und sie hat so komische Bemerkungen gemacht. Ich habe mir zuerst nichts dabei gedacht, aber dann hat Bessy gesagt, dass du auf Riks Facebook-Seite eine Andeutung gemacht hast, dass mit seinem Tod irgendwas nicht stimmt.«
Sina lässt sich auf dem Badewannenrand nieder. Kurz’ Ansage war eindeutig: Bei dem Unfall war kein Dritter beteiligt gewesen.
»Ich verstehe nicht, was du meinst.«
»Nun ja«, druckst Laureen herum. »Wir haben mit Tabea über Riks Tod gesprochen und da ist sie völlig ausgerastet. So habe ich sie noch nie erlebt. Es war wirklich furchtbar. Und dann hat sie gesagt, dass Rik seine gerechte Strafe bekommen hätte und wir nur kein Mitleid mit ihm haben sollten.«
Gerechte Strafe? Sinas
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