Sei mein Stern
Sie sind jetzt nicht mehr daran interessiert, morgen Abend mit mir essen zu gehen?“
Um ein Haar hätte er laut gelacht. Die Kleine besaß wirklich Nerven wie Drahtseile. „Weit gefehlt. Während des Essens werde ich sie genauestens instruieren, was in dem Artikel über das Hotel erwähnt werden soll. Ich hole Sie um sieben ab.“ Mit diesen Worten wandte er sich wieder dem Fenster zu, sodass sein breites Grinsen im Verborgenen blieb.
Kapitel 7
Am nächsten Tag spazierte Simon gut gelaunt durch den Englischen Garten, einem seiner Lieblingsplätze in München. Der gigantische Park wirkte wie eine Oase des Friedens inmitten der hektischen Großstadt, wobei er seine naturbelassene Anmut und abenteuerliche Wildheit bewahrt hatte. Und jedes Mal, wenn Simon die grüne Lunge Münchens betrat, fühlte er sich ein Stück weit nach Siria versetzt, in die Violet Mountains, die durch ihren extremen Eukalyptusgeruch bei der Bevölkerung tagtäglich eine berauschende Hochstimmung hervorriefen. Mit dem Unterschied, dass in den Violet Mountains kaum mehr fröhliches Kinderlachen zu hören war.
Seit Simon die Erde kennengelernt hatte, wusste er die Sauberkeit und den Frieden seiner Heimat erst richtig zu schätzen. Der Himmel über Siria war wolkenlos und strahlte tagaus, tagein in einem tiefen Grün. Und die Violet Mountains, die ihrem Namen alle Ehre machten, lieferten in Verbindung mit den beiden roten Sonnen ein farbenprächtiges Schauspiel, speziell wenn die rot glühenden Feuerbälle am Abend in den kleinen Seen zu ertrinken schienen.
Doch was Simon am meisten fehlte, waren die ausgeglichenen und harmoniebedürftigen Menschen. Die Bewohner Sirias zollten einander Respekt und Anerkennung, nicht so wie auf der Erde, wo Aggression, Unmut und Neid vorrangig zu sein schienen. Obendrein sehnte er sich fast schmerzhaft nach seinen Hightech-Computersystemen, vor denen er die meiste Zeit seines Lebens verbrachte, um seinen Mitbürgern durch vielfältige computergesteuerte Vorgänge den Alltag zu erleichtern.
So hatte er während der letzten Monate erfolgreich dafür Sorge getragen, dass die essenziellen Sprachen der Erdenbürger nun lückenlos in dem Gehirn jedes einzelnen Sirianers verankert werden konnten. Keiner musste mehr mit den Schwierigkeiten kämpfen, denen sein Bruder bei seiner Ankunft auf der Erde ausgesetzt gewesen war. Denn Rafaels außerirdische Herkunft war nicht zuletzt aufgeflogen, weil er die deutsche Umgangssprache nur unzulänglich beherrscht hatte.
Gedankenverloren ließ Simon sich auf eine der abseits stehenden Bierbänke des Seehauses nieder und begutachtete einen patschnassen Dackel, der aus dem See krabbelte, wo er ein Stöckchen apportiert hatte.
Aber hallo! Wie dämlich war das denn?
Bei der Vorstellung, eines der verwöhnten Mondbärchen mit einem Stück Holz ins Wasser zu locken, hätte er beinahe laut gelacht. Denn Baden war eindeutig nicht die bevorzugte Tätigkeit der faulen Biester.
Auf der Suche nach einem geeigneten Opfer ließ er begierig seine Blicke durch den idyllischen Biergarten schweifen. Hier testete er regelmäßig die Grenzen seiner telepathischen Kräfte an nichts ahnenden Touristen aus. Erst gestern hatte er eine erbitterte Vegetarierin dazu bewegt, sich wie ein ausgehungerter Wolf über eine Schweinshaxe herzumachen und den lautstarken Streit zweier Liebender geschlichtet, die anschließend wie die Karnickel übereinander hergefallen waren.
Schon hefteten sich seine Augen auf eine junge rothaarige Frau in einem unförmigen grauen Kleid, die trotz des wundervollen Sommertages deprimiert in den See stierte. Von Kummer übermannt schien sie mit dem Gedanken zu spielen, sich hineinzustürzen. Lautstark klatschte Simon mehrmals in die Hände, bis ihr Kopf herumflog und sie ihn verwundert anguckte. Endlich hatte er ihre Aufmerksamkeit.
Auf der Stelle nahm er ihren Blick gefangen und drang innerhalb von Sekunden in die Tiefen ihres Gehirns vor. Keine Minute später huschte ein schwaches Lächeln über das zuvor so todernste Gesicht der jungen Frau. Und schlagartig vermittelte sie das Gefühl, mit sich und der Welt im Reinen zu sein.
Im Grunde genommen hätte Simon sich nun zufriedengeben können, doch konnte er der Herausforderung nicht widerstehen, das Spiel noch ein Stück weiter zu treiben. So war er erst restlos glücklich, als die junge Frau lauthals singend den Englischen Garten verließ. Nicht ohne zuvor einen verdutzten Gitarristen, der mit seiner Performance jeden
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