Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)
viele pochen auch im normalen demokratischen Alltag auf ihre nun wirklich nicht in der Verfassung verankerten Grundrechte. Beispielsweise auf ihre Rechte als Autofahrer. Die populäre Parole gegen die Forderung nach Geschwindigkeitsbegrenzungen auf westdeutschen Autobahnen lautete einst: »Freie Fahrt für freie Bürger!« Dieser Forderung schloss sich der motorisierte Pöbel an. Die Politiker gaben der großen Koalition nach. So herrscht auf den Straßen nach wie vor das Recht der Stärkeren. Die fühlen sich stärker denn je.
Das Recht auf Selbstbestimmung beinhaltet zwar nicht, selbst zu bestimmen, was Recht ist und was nicht.Aber auch auf Straßen in der ehemaligen DDR, saniert mit Milliardenaufwand im Aufbau Ost, wird das Recht auf freie Fahrt rücksichtslos erfahren.
Beispiele?
Aber gern.
Abgeleitet von ihren offenbar höchstpersönlich selbst bestimmten Rechten als bessere Hälfte von Besserverdienenden, die es sich finanziell leisten können, mit spritschluckenden Off-Roadern die Dschungel der Großstädte zu durchqueren, was gleichzeitig den Mitbürgern ihre herausgehobene Stellung beweist, parken freie Bürgerinnen ihre
blechernen Dinos vor Kindergärten, in denen sie ihre lieben Kleinen abgeben, liebend gern in der zweiten Reihe. Das bezeichnen sie auf höfliche Nachfrage als ihre ureigenen Mütterrechte. Nur widerwillig unterbrechen sie dabei die Gespräche mit anderen Müttern, die hinter und vor ihnen auf gleiche Art ihre Autos abgestellt haben. Der Hinweis, dass sie den Verkehr aufhalten, in dem es gewisse Regeln gebe, und dass die für alle Autofahrer gelten würden, ohne Ansehen des Einkommens, werden in der Regel mit der Bemerkung gekontert, man sehe doch, dass sie als Mütter Wichtiges zu besprechen hätten, und außerdem hätten sie ja voller Rücksicht die Warnblinklampen eingeschaltet.
Dies ist jetzt keine frauenfeindliche Beschreibung alltäglicher Rücksichtslosigkeiten, denn auch bessergestellte Männer parken ihre Autos in gleicher Manier beim Bäckerladen, beim Zeitungsladen. Sie reden sich nicht heraus auf ihre Menschenrechte, wie es die Mütter tun, sondern kontern das Hupen von Geschlechtsgenossen, die nicht aus ihrer Parkbucht herausfahren können, prollig mit einem klassischen Satz des Pöbels: »Die paar Minuten werden Sie wohl warten können, Sie Nervsack.«
Und wo bleibt die Polizei, um Respekt vor Gesetzen einzufordern? Die muss sich zu oft selbst ihrer eigenen Haut wehren. Seit 1998 sind in Deutschland die Übergriffe gegen Polizisten um 20 Prozent gestiegen. Wobei auch Schubsen in dieser Statistik als Übergriff gilt. Geschah es früher noch öfters, dass sich eine angespannte Lage automatisch beruhigte, sobald Uniformierte nur auftauchten am Rande eines zur Schlacht bereiten Haufens, genügt heute immer häufiger bereits ein einziger Funke, um Auseinandersetzungen loszutreten. Das mit dem Funken ist wörtlich zu verstehen. Der Respekt vor seinen Beamten, klagt der Chef der Bundespolizei, Matthias Seeger, sei zwar ganz allgemein gesunken,
allerdings besonders auffällig bei jugendlichen Migranten. Schon die Aufforderung an die, eine Zigarette zu löschen und die Funken auszutreten, führe zur Gewalt.
Dass es nach Fußballspielen zwischen verfeindeten Hooligans zu Straßenschlachten kommt, dass bei den erlaubten Aufmärschen von Rechtsradikalen oder Linksautonomen das in der Verfassung festgelegte Grundrecht auf Demonstrationen mit Füßen getreten wird, dass immer mehr Polizisten bei solchen Einsätzen verletzt werden, ist so alltäglich wie das tägliche Auftreten der kleinen Monsterrüpel in Grundschulen.
Dass aber Polizisten gezielt von Jugendlichen in einen Hinterhalt gelockt werden, um sie dort totzuschlagen, einfach nur so, weil Gewalt nun mal geil sei, ist als Kräftemessen mit dem Staat eine neue Dimension der Gewalt. Die entsprechenden Täter wurden gefasst, weil sie blöd genug waren – in dem Fall half ihre Blödheit bei den Ermittlungen -, auf der Flucht ein Handy zu verlieren.
Konrad Freiberg, Bundesvorsitzender der Polizeigewerkschaft (GdP), nennt als Ursachen für die steigende Gewaltbereitschaft »gescheiterte Integration, vernachlässigte Erziehung, berufliche Perspektivlosigkeit« und fordert die Politik auf, nicht nur immer wieder die Wirkungen solchen Versagens zu diskutieren, sondern endlich dem Übel an die Wurzel zu gehen. Über die notwendigen Maßnahmen müssten sich alle Parteien Gedanken machen. Es sei höchste Zeit. Sein Kollege Rainer
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