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Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse

Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse

Titel: Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse Kostenlos Bücher Online Lesen
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kleinen Wellenausläufer überragte. Er hielt seinen bodenlangen Mantel mit seitlich gestreckten Händen hoch, wodurch es schien, als habe er Flügel. »Ja, diese Frage hat sich schon manch einer gestellt. Insbesondere all die Angreifer, die das uneinnehmbare Tintagel so gern erobert hätten.«
    Er verstummte und sprang von seinem Stein auf den nächsten. Dann hatte er Merlin’s Cave erreicht. Es war schwierig, die Salzwasserpfützen zu umgehen, die sich vorne am Eingang angesammelt hatten und gelegentlich vom heranschwappenden Atlantik nachgefüllt wurden. Ganz gelang es Cunomorus nicht. Seine Beinkleider waren bis zur Wade durchnässt, und auch sein Mantelsaum hatte ein unfreiwilliges Bad genommen, ehe sich der König zu Nadja umdrehte. Er hielt ihr seine Hand hin, als Stütze beim Überschreiten der glitschigen Steine.
    Erst als Nadja auf sicherem Boden stand, beantwortete er ihre Frage. »Es gab einen Geheimgang von der Burg durch den Berg. Er wurde für den Fall angelegt, dass Tintagel bei einer Belagerung kapitulieren musste, weil die Vorräte ausgingen. Dann hätte man die Burg aufgeben können, ohne in Gefangenschaft zu geraten. Dieser Gang endete in der kleinen Höhle und war sehr gut getarnt.«
    »Existiert er noch?«
    »Weiß ich nicht. Ich kann Euch nur berichten, dass ich den Zugang oben in den Ruinen nicht gefunden habe.« Cunomorus drehte sich um und breitete die Arme aus. »Hier wären wir also – in Merlin’s Cave!«
    Nadja bemerkte, wie feierlich er das sagte. Ein bisschen Wehmut lag in seiner Stimme und Hochachtung; beides sicher nicht auf die weiträumige Felsenhöhle gemünzt, obwohl sie dem Betrachter durchaus Respekt abverlangte. Nein, was der König von Lyonesse da zum Ausdruck brachte, waren seine Gefühle für all die besonderen Menschen im Dunstkreis der alten Burg, die er einst gekannt hatte. Und für ihre Taten, die ein Stück Geschichte schrieben.
    Immer noch trug der Wind ein schwaches Echo durch Merlin’s Cave – den Hauch vergangener Zeiten. Über die rauen, dunklen Wände tanzten Schattenbilder der Helden von einst. Merlin, Artus, Lancelot und Igraine – sie alle hatten diese Höhle betreten, jeden Stein gesehen und auf manchem gesessen. Freundschaft geschlossen, Pläne geschmiedet, gelacht und geträumt. So lange schon waren sie fort: Uther Pendragon, Gorlois. Tristan. Guinevere … Namen und Schicksale, auf immer verwoben mit Cornwall, Tintagel und Merlin’s Cave.
    Man verspürte Respekt, wenn man diese Höhle betrat.
    Es gab keine sichtbaren Hinweise darauf, dass dieses Versteck noch genutzt wurde. Keine Fackelhalter an den Wänden, keine steinernen Bänke, nichts.
    Was gäbe ich darum, einmal durch die Zeit reisen zu können, Merlin zu belauschen und Artus zu sehen
, dachte Nadja, während sie ein paar Schritte in die Höhle wanderte und sich umsah. Vor ihr lag ein großer, ovaler Felsbrocken, etwa kniehoch und von der Flut glatt geschliffen. Nadja bestieg ihn, um dem hohen Deckengewölbe ein Stückchen näher zu sein. Verbarg sich oben in der Dunkelheit nicht doch ein Zeichen?
    Cunomorus räusperte sich. »Auf diesem Stein wurde Artus geboren.«
    Nadja drehte sich dem Sprecher zu, und ihre Augen wurden groß, als sie sah, welchen er meinte.
    »Hier?«, fragte sie verblüfft und zeigte hinunter zu ihren Füßen.
    »Genau dort.«
    »Mein Gott!«, sagte sie aufrichtig empört. Es kam aus tiefster Seele. »Die arme Frau!«
    Sofort sprang sie von dem Felsen und strich mitfühlend über die eiskalte, steinerne Oberfläche. »Hier hätte ich Talamh nicht zur Welt bringen wollen. Das ist ja barbarisch!«
    »Ich hätte es auch nicht erlaubt«, sagte David. Er drückte ihr im Vorbeigehen einen Kuss aufs Haar und ging weiter, um das Innere der Höhle zu sichten.
    Cunomorus lachte glucksend. »Ich bitte um Vergebung, schöne Frau, wenn ich mich missverständlich ausgedrückt habe.« Er schüttelte amüsiert den Kopf. »Artus wurde auf diesem Stein geboren, ja – aber natürlich nicht auf nacktem Fels! Ich wurde nicht hinzugebeten, aber ich bin ganz und gar überzeugt davon, dass ein weiches, warmes Lager errichtet wurde, das dem Stand der Herzogin von Cornwall mehr als angemessen war. Uther Pendragon hätte niemals etwas anderes gestattet. Er war ein Raubein und nicht bei allen Menschen gut gelitten, aber er hat Igraine innig geliebt. Das weiß ich.«
    »Umso schlimmer!« Nadjas Empörung wuchs noch bei des Königs Worten. »Wie konnte er eine Frau, die er zu lieben vorgab, aus

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