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Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse

Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse

Titel: Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse Kostenlos Bücher Online Lesen
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da vorn. Auch der Steg war nichts Besonderes. Er bestand aus großen, flachen Natursteinplatten; graue Schwergewichte, die – so nahm Alebin an – von Pfeilern gestützt wurden und unmittelbar auf dem Sumpf auflagen.
    Seltsam war nur das Kreuz.
    Er sah es erst, als er den Steg betrat. Es war am jenseitigen Ende in eine der Steinplatten eingelassen, ein großes altes Ding aus Schmiedeeisen.
Vielleicht soll es Vampire fernhalten
, überlegte der Elf und warf einen raschen Blick in die Runde. Auf den Gedanken, dass es in dieser Gegend welche geben könnte, war er bis dahin gar nicht gekommen. Aber wenigstens zeigte das Kreuz vom Dorf weg. Beruhigend, denn falls es als unüberwindliche Grenze für die düsteren Langzähne angebracht wurde, hausten sie demnach im Moor, nicht in Whispering Willows.
    Als Alebin näher kam, bemerkte er, dass das Kreuz nicht nur in einer Vertiefung lag, sondern zudem noch mit schweren Eisenschrauben gesichert war. Dunkelbraun verrostet hielten sie das heilige Zeichen fest an seinem Platz.
    »Merkwürdig!«, sagte Alebin zu sich selbst. Stirnrunzelnd trat er hinzu und ging in die Hocke, um sich die Sache genauer anzusehen. Er vermied es, auf das Kreuz zu treten. Das hatte nichts mit Aberglauben zu tun, eher mit einer entspannten Art von Respekt: Musste ja nicht sein, dass man irgendwelche Götter beleidigte, auch wenn man sie für erfunden hielt.
    Das Alter hatte den Stein an den Rändern verwittern lassen, der mittlere Teil war wie abgeschmirgelt und glatt poliert. Kein Wunder – wer vermochte zu sagen, wie viele Menschen im Laufe der Zeit über diese Platte gewandert waren?
Nicht zu vergessen die Bollerwagen!
Alebin hob den Kopf und schaute zu der Stelle hinüber, an der die Bestie am Vorabend den alten Harry erwischt hatte. Noch immer waren Spuren des ungleichen Kampfes zu sehen: zerfetztes Gras, Furchen im Erdreich vom Schlag schwerer Krallen, verräterisch dunkle Flecken. An einem Zweig hatte sich etwas Stoff verfangen. Nass vom Regen hing er da, der letzte Rest von Harrys Hemd. Blinkende Wassertropfen säumten den Rand und sahen aus wie Rubine.
    Alebin hatte keine Lust darauf, so zu enden. Andererseits wollte er aber auch nicht in diesem Dorf verschimmeln. Immerhin wartete hinter der Grenze eine ganze Welt darauf, von ihm erobert zu werden – nun ja, vielleicht
erwartete
sie das nicht, aber sie würde es hinnehmen müssen. Sobald er die steinerne Brücke überquert hatte. Testweise. Um sich selbst zu bestätigen, was er schon die ganze Zeit vermutete: Diese
Grenze
war nur eine Täuschung. Einbildung. Dummes Geschwätz durchgeknallter Dörfler, die in historischen Kostümen umherwandelten. Alebin gab sich einen Ruck und stand auf. Noch ein prüfender Blick auf das zerknickte Strauchwerk, aus dem die Bestie gestern herangeflogen kam, dann setzte er sich in Bewegung.
    »Ein kleiner Schritt für mich, ein gigantischer für alle anderen«, sagte er vergnügt. »Und zwar in Richtung Leibeigenschaft, mit mir als Herrn und Meister!«
    Er überquerte die Brücke, zögerte nur einen winzigen Moment und betrat das andere Ufer.
    Nichts geschah.
    Die Bestie tauchte nicht auf, kein Fluch erfüllte sich – es fing nicht einmal an zu regnen. Alebin atmete auf. Er fühlte sich, als wäre eine große Last von ihm gefallen. So befreit. So …
    »Diese blöde Jacke!«, sagte er plötzlich und ruckte daran herum, dass die Nähte krachten. Sie musste noch kleiner sein, als er ohnehin schon festgestellt hatte. Alebin verspürte ein Ziehen im Rücken, leise nur, aber unangenehm. Er beschloss, die Jacke zurückzugeben. Bestimmt hatte die Witwe des seligen Nicholas Braxton noch etwas anderes im Schrank.
    Versuchsweise ging er ein Stück am Ufer des toten Bacharms entlang; erst nach links, dann nach rechts. Als der Elf überzeugt war, dass ihm wirklich keine Gefahr drohte und er sich jederzeit aus dem Staub machen konnte, wanderte er ins Dorf zurück.
Vielleicht sollte ich doch ein paar Tage bleiben
, überlegte er.
Die sind zwar verrückt, aber sie haben warme, trockene Stuben. Leckeres Essen und … so gemütliche Betten!
    Alebin grinste. Betten waren
immer
gemütlich, man konnte das Wohlfühlgefühl in ihnen allerdings noch ganz erheblich steigern. Dazu musste er nur die kleine Blonde vom Vortag wiederfinden, die am Steg so eine irre Show abgezogen hatte. Nein, Herr. Ich bitte Euch, Herr. Verschämtes Kichern, artiger Knicks.
So etwas könnte mir auch mal wieder die Laken vorwärmen! Die ist garantiert

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