Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse
dachte angestrengt über diese Merkwürdigkeit nach, während er versuchte, den Sternen zu folgen, die vor seinen Augen kreisten. Wieso konnte er Mistress Braxton hören?
Und endlich fiel es ihm ein: die Wände!
»Deine Wände sinn ziemmich dünn, Ellie, altes Haus!«, befand er im todernsten Singsang der Betrunkenen. Alebin lachte. »
Altes Haus
. Hihi! Hassu das verstanden?«
Sie antwortete nicht. Dafür spürte er eine Berührung auf den Schenkeln, die er nicht einordnen konnte. Er rief: »Ellie, da krabbelt was auf meim Bein!«
»Das ist meine Hand, Darby.«
»Dann sinni… sind die Wände ja noch dünner, als ich dachte.« Alebin spürte, dass sich jemand zu ihm auf die Kissen legte. Gleichzeitig wanderte das
Krabbeln
von seinem Bein an die Hüfte und von dort …
»Ellie, was machsu da?«
Er hörte ein Gurren neben sich, spürte ein zärtliches Saugen an seinem Ohrläppchen. Feuchte Küsse beschmatzten seine Wange, und Mistress Braxton – Ellie – flüsterte: »Ich helfe dir, deine Hose aufzuknöpfen, Highlander.«
»Wichnich«, nuschelte Alebin und versuchte es noch mal. »Will ich nich! Geh weg un mach die Wand zu!«
Sie lachte nur – und gehorchte nicht. Sie küsste seinen nackten Oberkörper, vom Brustbein herunter zum Bauchnabel, tiefer, tiefer … Alebin zuckte zusammen und verzog das Gesicht, als hätte er Schmerzen. Diese Lippen! Diese Zunge! Diese Hände, überall!
»Dssss«, machte er durch die Zähne, hielt den Atem an und verkrallte sich in die Kissen.
»Ist ja gut«, flüsterte Mistress Braxton und zog seine Hose herunter. »Ganz ruhig!«
Er wollte es nicht. Er wollte es ab-so-lut nicht. Alebin war auf die blonde, junge Millie fixiert, da begehrte er keine dunkle, alte Ellie. Er versuchte, sie zu packen und wegzustoßen, und verfluchte seinen Alkoholkonsum, der ihn daneben greifen ließ. Wie weich war ihr Fleisch, das sie so bereitwillig in seine Hände gab! Wie hart wurden ihre Brustwarzen zwischen seinen Fingern!
Breitbeinig kniete sie über ihm. Sie küsste ihn auf den Mund, wieder und wieder; da konnte er versuchen, den Kopf wegzudrehen, soviel er wollte. Ihr Atem flog, ihre Stimme bebte vor Erregung, als sie ihm zuraunte: »Lass mich dich reiten, Highlander! Hinauf zu höchster Lust!«
Er wollte es wirklich nicht.
Ehrlich!
Als sie nach ihm griff, um sich auf ihn zu setzen, hatte er noch Hoffnung. Er war ein ausgesprochen potenter Mann – aber er hatte auch sehr viel getrunken. Es hätte reichen müssen, um Mistress Braxton eine schlappe Enttäuschung zu bereiten. Doch sein Tarnkörper ließ ihn schmählich im Stich.
»So hart! So groß!« Erfreut stöhnte die Witwe auf. »Aaaaah! Highlander! Ja, das ist gut! Komm her, starker Mann. Ich werde dir eine Nacht bereiten, an die du noch lange zurückdenkst!«
Und das tat sie dann auch.
10 Der Fluch von Whispering Willows
Ein kalter, windiger Morgen brach an. Irgendwo im Dorf stand ein Hahn auf dem Mist und bekrähte die Gemeinde. Man hörte ihn überall, auch im ersten Stock des
Grumpy Hog
, durch die geschlossenen Fenster von Eleanor Braxtons Schlafgemach.
Die Witwe selbst hatte sich längst erhoben. Sie war unten in der Küche und bereitete das Frühstück vor. Mit dem Duft frisch gebrühten Tees zog das leise Klirren von Tellern und Tassen durch den Hausflur. Mistress Braxton schien guter Laune zu sein. Sie sang
Rule Britannia!
bei der Arbeit.
Der Mann auf ihrem Bett bewegte sich nicht. Reglos lag er da, nackt, die Lider halb geschlossen, mit direktem Fernblick ins Nirwana. Man konnte glauben, er wäre tot, und nichts anderes wollte Alebin sein – zumindest ein wenig.
Geschändet!
, dachte er.
Man hat mich geschändet!
Er empfand es so, konnte nicht anders. Vielleicht lag es daran, dass er ein Unsterblicher war und in seinem extrem langen Leben bisher nie von einer Frau bezwungen wurde. Wenigstens nicht im Bett. An Mistress Braxton lag es bestimmt nicht; sie hatte ihn in der vergangenen Nacht nach Strich und Faden verwöhnt. Doch Alebin sah das anders.
Sie hat mich benutzt! Mit Alkohol zugeschüttet, um mir den Willen zu nehmen, und in ihr Bett gezerrt! Mich! Als wäre ich irgendein gewöhnlicher Kerl und nicht Alebin, der Verführer!
Er rollte vom Laken, stand auf und ignorierte den stechenden Kopfschmerz, als wolle er seinen Tarnkörper für die vermeintliche Demütigung bestrafen, die er seinetwegen erfahren musste.
Schweigend zog er sich an, kein Hauch von Fröhlichkeit auf dem Gesicht. Das Leichte,
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