Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse

Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse

Titel: Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
Decke hin, wo er einen Durchgang erwartete. Da war aber keiner.
    »Du hattest doch gesagt, wir würden zum Archiv gehen!« Alebin leuchtete den Steinling an.
    »Ja, das ist richtig.«
    »Und? Wo ist es?«
    »Du stehst direkt davor. Halte die Lampe mal mehr nach rechts. Noch ein Stück! Und etwas höher, bitte.«
    Alebin sah kein
Archiv
. Nur fein gemasertes Felsgestein, an dem Rocky herumkletterte. Als Halt benutzte er eine Scheibe seiner Füße, die er in die Wandritzen schob, und einen Teil der linken Hand. Mit der anderen fuhr er suchend über die dünnen, quer verlaufenden Rotschattierungen.
    »Fluch, Fluch«, murmelte er dabei. Offenbar las er etwas ab, das nur er sehen konnte. »Der Fluch von Haunted Hill, von Jon Tregeagle, von St. Michael’s Mount … Ah, da ist es ja!« Rocky zog eine rote Steinplatte aus der Wand, dünn wie Pappe und etwa so groß wie eine gewöhnliche Postkarte. Er pustete den Staub weg, überflog sie kurz und nickte zufrieden. »Der Fluch von Whispering Willows!«
    Triumphierend hielt er sie Alebin hin. »Ich sagte ja: Wir heben alles auf! Halt sie mal kurz. Aber lass sie nicht fallen!«
    Der Elf nahm die Steinplatte entgegen. Er leuchtete sie an, während Rocky den Rückweg zum Minenboden antrat. Alebins Plan war, schnell zu lesen, was darauf stand, und sich dann zu verabschieden. Kurz und knapp, kein langes Brimborium. Doch Lesen allein war kein Erfolgsgarant. Er musste auch verstehen, was da stand, und das war ihm in diesem Fall nicht möglich.
    »Strich-Punkt-Punkt. Nichts. Punkt. Nichts. Punkt-Strich-Punkt.« Frustriert ließ er die Platte sinken. »Und das soll heißen: der Fluch von Whispering Willows?«
    »Nein.« Rocky erreichte den Boden, wischte sich knirschend die Hände ab und kam heran. »Es heißt: der. Das ist Morseschrift. Wenn du willst, bringe ich sie dir bei.«
    »Vergiss es! Lies mir vor, was da steht, und gut ist’s!«
    Rocky seufzte hörbar enttäuscht, nahm seine Taschenlampe, schaltete das Neonlicht ein und ließ sich die Steinplatte zurückgeben. Mit ihr setzte er sich ans Licht und begann zu lesen.
    »Der Fluch von Whispering Willows«, hob er feierlich an.
    Alebin stöhnte auf. »Das hatten wir schon. Mach voran!«
    »Von Rocky 242«, ergänzte der Steinling trotzig. »Man muss den Verfasser immer nennen, sonst …«
    Alebin rang die Hände. »Bitte! Leg endlich los!«
    »Meine Güte, ich bin ja schon dabei. Wenn du mich nicht dauernd unterbrechen würdest, wäre ich bereits zur Hälfte durch. Soll ich das jetzt vorlesen oder nicht?«
    »Lies!«, presste Alebin zwischen den Zähnen hindurch. Es war kalt in der Mine, und er hatte Besseres zu tun, als den ganzen Tag mit diesem geschwätzigen Scheibenmännchen zu verbringen.
    »Also gut.« Rocky nickte. »Ich fange noch mal an. Der Fluch von Whispering Willows. Von Rocky 242. Es war ein kalter, nebliger Novembermorgen im Jahre 1865 …« Weiter kam er nicht.
    »Hast du sie noch alle?«, raunzte ihn Alebin an. »Ich will nicht die Geschichte der Menschheit hören; ich will wissen, was es mit dem Fluch auf sich hat!«
    »Na, das versuche ich ja gerade, dir vorzulesen!«, giftete Rocky zurück.
    Alebin rieb sich die schmerzende Stirn. »Was ist nur los mit euch?«, jammerte er. »Gibt es in diesem Moor wirklich niemanden, der auf eine einfache Frage eine einfache Antwort hat? Was treibt euch bloß dazu, mir ständig diese elend langen, ausschweifenden Vorträge zu halten? Sie interessieren mich nicht!«
    Er starrte in Rockys glänzende schwarze Steinaugen. »Hier ist eine echte Herausforderung für dich. Ich frage dich jetzt etwas, und du antwortest, so knapp du kannst. Erstens: Was hat den Fluch heraufbeschworen? und zweitens: Wie wird man ihn wieder los?«
    »Erstens ein verschwundenes Elfenkind und zweitens gar nicht«, sagte Rocky wie aus der Pistole geschossen.
    Alebin gab auf. Er ließ sich an der Wand entlang zu Boden gleiten, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und schloss die Augen. Vielleicht konnte er ja zwischendurch ein Nickerchen machen.
    »Lies vor!«, befahl er.
    »Mach ich«, sagte Rocky und fing noch einmal an.
    »Es war ein kalter, nebliger Novembermorgen im Jahre 1865.« Rocky zögerte, weil er ein neuerliches Protestgeschrei erwartete. Doch es kam nicht, und so fuhr er fort: »Ein Fallensteller aus Whispering Willows ging durchs Moor, um gefangene Kaninchen einzusammeln.«
    Der Mann hatte seine Schlingen in den einsamen Wäldern am Withey Brook ausgelegt, und als er sie an jenem Morgen

Weitere Kostenlose Bücher