Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse

Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse

Titel: Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
kontrollierte, sah er, dass in einer von ihnen noch etwas zappelte. Sie war an einer Baumwurzel bei den schäumenden Wasserfällen des Brook befestigt, und so hörte er erst aus der Nähe, dass das gefangene Wesen menschliche Klagelaute von sich gab. Es sah auch aus wie ein Mensch, oberflächlich betrachtet. Aber es war keiner.
    Der Fallensteller hielt es für ein ungewöhnlich hässliches Kind; einen Jungen, kaum mehr als fünf Jahre alt. Er hatte sich beim Ziehen und Zerren in der Drahtschlinge verheddert, hing hoffnungslos fest. Auskunft darüber, woher er kam und zu wem er gehörte, gab er nicht. Er sagte nur seinen Namen: Ginnair.
    Der Fallensteller wollte den verletzten Jungen nicht einfach seinem Schicksal überlassen, daher nahm er ihn mit nach Whispering Willows.
    Der dortige Schmied wurde gerufen, um das Findelkind aus der verdrehten Schlinge zu schneiden. Auch der heilkundlich geschulte Reverend kam hinzu. Doch als er sah, was der Fallensteller ins Dorf gebracht hatte, erschrak er zu Tode: Der hässliche Junge war ein Wechselbalg! Kobolde brachten diese Kreaturen manchmal in die Häuser junger Eltern – nachts, wenn alles schlief –, nahmen das echte Baby mit und legten dafür einen Wechselbalg in die Wiege.
    Es kam vor, dass verzweifelte Eltern solch ein scheußliches Wesen im Moor aussetzten. Zum Sterben. Dieses jedoch hatte überlebt, und das konnte nur bedeuten, dass sich jemand seiner angenommen hatte. Kein Mensch, Gott bewahre. Jemand aus der Anderswelt.
    Die Bewohner von Whispering Willows waren so ratlos wie entsetzt. Jeden Moment konnte ein rachsüchtiges Wesen bei ihnen erscheinen; nicht nur, um den Wechselbalg abzuholen, sondern auch, um sie alle für dessen Gefangennahme zu bestrafen. Sie mussten eine Lösung finden, und das möglichst schnell. Also steckten sie Ginnair in ein Bodenloch, sicherten es mit einer schweren Steinplatte und versammelten sich danach im
Grumpy Hog
zur Beratung. Diese dauerte bis zum nächsten Morgen. Als sie dann nach dem Wechselbalg schauten – war er versteinert.
    »Versteinert?« Alebin horchte auf. Das klang nach einem Elfen, der sich aufgegeben hatte!
    »Versteinert«, bestätigte Rocky. »Und das war ärgerlich, denn jetzt wurden sie das Ding nicht mehr los! Ich meine: Wer außer uns würde schon ein Kind zurücknehmen, das aus Stein besteht?«
    »Was geschah mit diesem … Ginnair?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Wie bitte?«
    Rocky schüttelte bedauernd den Kopf. »Das weiß niemand. Ehrlich! Die drei Männer haben den Wechselbalg verschwinden lassen. Noch in der nächsten Nacht und keine Sekunde zu früh.«
    »Soll heißen?« Alebin setzte sich auf.
    »Na ja. Am Morgen danach kam die Torfmuhme und verlangte ihr Kind zurück.«
    »Die schwarze Frau?«
    »Genau die.« Rocky erschauerte. »Sie ist eine der letzten Grunnen aus der Zeit König Artus’. Das waren tückische Weiber aus der Anderswelt, die sich gern als Amme verdingten. Wenn sie ein Kind – und sei es nur ein ausgesetzter Wechselbalg – in die Finger bekamen, erzogen sie es mit Sorgfalt und großem Einsatz. Und zwar zu einem Handlanger für ihre eigene Bösartigkeit! Hast du gewusst, dass Mordred, Artus’ Sohn, von einer Grunne gesäugt wurde?«
    »Nein, und es interessiert mich auch nicht. Was war nun mit der Torfmuhme?«
    »Na ja, man konnte ihr den Jungen nicht zurückgeben. Daher hat sie einen Fluch über das Dorf gesprochen und alle Lebensfäden im Boden verhakt, damit ihr Kind, wo immer es dort steckt, gut versorgt ist. Bis sie einen Weg gefunden hat, es da rauszuholen.«
    »Ich dachte, es wäre tot!?«
    »Ist es auch. Aber das weiß sie nicht.« Rocky lachte. »Und die Dorfbewohner werden es ihr bestimmt nicht sagen! He, wo willst du hin?«
    »Zurück nach Whispering Willows.« Alebin klopfte sich den Staub von der klammen Hose. »Wenn das Kind ein Elf war, dann finde ich es.«
    »Ein Halbelf, wenn überhaupt. Vermutlich eher ein Kobold.«
    »Den finde ich auch«, behauptete Alebin.
    Rocky verzog die Mundwinkel. »Und du glaubst allen Ernstes, sie würden das zulassen?«
    »Na, warum denn nicht? Ist doch gut, wenn der Fluch behoben wird.«
    »Nach hundertvierundvierzig Jahren?«
    Alebin begriff es nicht. Er lauschte in sich hinein, fand aber keine Antwort. Vielleicht lag es daran, dass er ein Elf war und sich mit lästigen Kleinigkeiten wie Altern und Sterben nie hatte beschäftigen müssen. Das musste Rocky ebenfalls nicht, aber er hatte wenigstens über die Menschen von Whispering

Weitere Kostenlose Bücher