Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse
bereit zu tun, was dafür notwendig war. Selbst wenn das bedeutete, dass sie mit dem Elfen nach Lyonesse gehen musste.
Innerlich hatte sie gelacht, als Alebin versuchte, sie mit der Aussicht auf zusätzliche Macht zu ködern. Sie war die Herrin des Bodmin Moor und all seiner verborgenen Welten. Wenn sie ihr Territorium vergrößern wollte, würde sie das tun. Dafür brauchte sie keinen rothaarigen Elfen.
Allerdings war Alebin nicht irgendein Elf. Shumoonya hatte das Gefühl, ihn von irgendwoher zu kennen, konnte ihn aber nicht einordnen. Vielleicht hatte ihn mal jemand erwähnt, oder sie hatte ihn gesehen. Was immer es war, es lag weit in der Vergangenheit, und solange sie sich nicht daran erinnerte, war Vorsicht geboten. Falls er mächtige Freunde hatte, musste sie das wissen, bevor sie ihn tötete.
Und das würde sie, daran bestand kein Zweifel. Niemand behandelte die Torfmuhme wie eine Sklavin und kam mit dem Leben davon. Niemand versuchte sie auszutricksen und blieb ungestraft. Und wer glaubte, sie zu kennen – der lernte sie kennen.
Lässig streckte die unheimliche Frau ihre Hand aus und bewegte sie, als wolle sie den See aus der Ferne streicheln. Shumoonya lächelte, als sich das Loch im Eis schloss.
Dann nahm sie ihre Raubkatzengestalt an, setzte sich auf die kälteunempfindlichen Hinterläufe und wartete.
Alebins zweiter Tauchgang in den Dozmary Pool war ein Erlebnis der besonderen Art. Der Elf hatte schwache Lichtreste erwartet, ähnlich denen, die Treggles Seelennetz abgaben. Doch das magische Kräutergemisch der Torfmuhme ließ den nächtlichen See wie von der Sonne ausgeleuchtet erscheinen: bunt und hell. Alebin konnte bis auf den Grund sehen, der braun und vernarbt in der Tiefe lag. Voll roter Spuren, die sich kreuz und quer darüber zogen.
Elfenauren! Und dort hinten war auch das Portal. Es lag versteckt zwischen kunstvoll behauenen Unterwasserfelsen; ein schönes, altes Tor. Der Bogen war heruntergefallen und auseinandergebrochen. Algen wuchsen an den zerborstenen Steinen.
Alebin entdeckte das Riff, in dem Treggle sich immer verborgen hatte. Das grüne Schilf wogte noch immer in der schwachen Strömung. Doch der Platz des gejagten Geistes war leer. An den steil abfallenden Wänden des Sees hingen lange schwarze Gewebefetzen herunter. Es waren die Reste von Treggles Seelennetz, das Alebin mit Tristans Schwert zerschlagen hatte. Auch das Schwert selbst konnte er sehen, weit unter sich, halb in den Grund gerammt.
Nur hin kam er nicht.
So schien es ihm wenigstens. Alebin tauchte durch unsichtbares, temperaturloses Wasser. Es war fast, als würde er fliegen, wenn auch in eine eher ungewöhnliche Richtung. Er bewegte sich nach unten, vorbei an den seltsamsten Dingen. An einer mächtigen Wurzel, die aus der Seewand kam, hing ein zerbeultes, verrostetes Auto. Zwischen Felsspalten schwebte ein schlangenähnliches Tier mit roten Augen. Es verschwand, als sich Alebin ihm näherte, und das bedauerte er kein bisschen.
Warum erreichte er den Grund nicht? War der Dozmary Pool wirklich verwunschen und, wie Jasper Foggerty erzählt hatte,
bodenlos?
Oder hatte die Torfmuhme Alebins Lügengespinst durchschaut und ihn vergiftet? War er in einem Trugbild gefangen?
Die Zeit lief ihm davon, und Alebin bekam es mit der Angst zu tun. Shumoonya hatte ihm eingeschärft, sich zu beeilen. Die Wirkung der Kräuter würde nicht lange vorhalten, hatte sie behauptet. Hundert Herzschläge, mehr Zeit hätte er nicht, um das Schwert zu bergen und wieder aufzutauchen. Alebin war nicht sicher, ob das stimmte. Rocky Zwölf hatte ihm gesagt, die Torfmuhme wäre durch und durch böse – gut möglich also, dass sie ihm für das kleine Grausen zwischendurch ein Angstpaket mitgegeben hatte. Töten würde sie ihn nicht, da war sich Alebin sicher. Nicht, solange er allein wusste, wo sich ihr hässlicher Wechselbalg befand.
Er tauchte auf ein treibendes Algengespinst zu und schloss für einen Moment die Augen, um sie vor den dünnen grünen Fäden zu schützen. Als er sie wieder öffnete, fand er sich viele Meter tiefer wieder. Alebin war erstaunt: Was für eine Hexerei ging da vor sich? Egal – Hauptsache, er kam endlich von der Stelle! Fest kniff er die Augen zu und schwamm drauflos.
Natürlich würde er der Torfmuhme niemals sagen, wo er Ginnair gefunden hatte, und vor allem: in welchem Zustand. Schon deshalb, um die Alte zu bestrafen. Sie hatte die Pille absichtlich fallen lassen, weil sie Alebin auf den Knien sehen wollte,
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