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Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse

Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse

Titel: Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse Kostenlos Bücher Online Lesen
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einem halbrunden Turm, der Teil des Gebäudes war, und bestand aus rot gestrichenem Holz. Sieben Stufen führten hinunter auf das Kopfsteinpflaster. Wenn man von dort nach oben blickte – was Shumoonya nun tat –, sah man neben dem runden Turmdach noch ein weiteres, höheres Dach. Es war viereckig, endete spitz mit Wetterfahne und schmiedeeisernem Schutzgitter und trug eine Uhr.
    »Das ist das Rathaus von Marazion«, sagte die Torfmuhme.
    Alebin verzog den Mund. »Und das erkennst du … an dem Turm, der Uhr, der roten Tür?«
    »Nein, das steht auf dem Schild da vorn.« Shumoonya wies auf den vergitterten Haupteingang. Und tatsächlich, da stand es:
Marazion Town Hall
.
    Am Boden rings um das Rathaus schwelte ein schwaches Leuchten. Es kam aus einem vergessenen Seitengang, der in den Höhlen von Marazion begann und als Portal endete. Doch das brachte den Elfen nicht weiter. Wütend fuchtelte er mit Tristans Schwert herum, während er der Torfmuhme erzählte, was er davon hielt, dass sie ihn in irgendein verschlafenes Nest gelotst hatte statt nach Lyonesse. Als sie keine Lust mehr hatte, sich das Genörgel noch länger anzuhören, ging sie los. Quer über die Straße.
    Dem Geruch nach.
    »Welchem Geruch?«, giftete Alebin, kaum dass er sie eingeholt hatte.
    »Es riecht nach Meer«, sagte Shumoonya ruhig. »Und nach Saint Michael’s Mount.«
    »Was ist
das
schon wieder? Das nächste Kaff? Hör zu: Wenn du einen Rundgang durch Cornwalls verschnarchte Küstendörfer machen willst – bitte schön! Aber nicht jetzt und bestimmt nicht mit mir!«
    Saint Michael’s Mount war, wie jeder außer Alebin wusste, kein Dorf. Es war vielmehr eine Gezeiteninsel, winzig klein, die ihrem Namensvetter Mont Saint-Michel, etwa einen Kilometer vor der Küste im Wattenmeer der Normandie, nahe der Grenze zur Bretagne, verblüffend ähnlich sah. Bei Ebbe erreichte man die kornische Ausgabe über einen schmalen Landsteg. Bei Flut nahm man ein Boot. Die Überfahrt dauerte keine zwei Minuten, denn Saint Michael’s Mount lag direkt vor Marazions Strand.
    Die Torfmuhme erzählte ihm davon. Das Schloss auf der bewaldeten Inselspitze sei uralt, nicht jünger als das Elfenportal, das sich an seiner westlichen Außenmauer befand. Es funktioniere wie eine magische Drehtür, durch die man in verschiedene Richtungen weiterreisen könne. Bevor sie das Portal betraten brauchten Alebin und sie nur ihren Wunsch zu äußern.
    »Schön. Dann latschen wir da hin.« Alebin führte mit Tristans Schwert einen heftigen Luftstreich aus. »Aber wenn ich ankomme, und auf einem Schild steht
Wegen Bauarbeiten vorübergehend geschlossen!
, oder sonst was in der Art, lernst du mich kennen, Shumoonya!«
    »Ich zittere vor Angst«, sagte die Torfmuhme und ging weiter.
    Just in dem Moment begann die Turmuhr auf dem Rathaus zu schlagen. Zwölfmal.
    »Mitternacht«, raunte der Kau. »Wir müssen uns beeilen, sonst verpassen wir die Ebbe! Mach hin, Cor!«
    »Mann! Sehe ich aus wie ein Rennschwein? Schneller geht’s nicht«, zischte der Spriggans. Er hatte sich aufgeblasen und schob im Stechschritt einen rosafarbenen Buggy den Bürgersteig entlang.
    Grund für die Eile der beiden war die vorübergehende Erreichbarkeit von Saint Michael’s Mount. Cor und der Kau hatten in der Morgendämmerung einen Flederkobold vor ihrem Fenster hängen gehabt. Er war auf dem Weg ins Bodmin Moor – leidige Verwandtschaftsbesuche – und brauchte einen Unterschlupf für die hellen Tagesstunden. Dieser Kobold erzählte ihnen, dass es auf der Insel vor Marazion ein Wahlportal gab.
    Was hatten die Elfen triumphiert! Ein Portal, das sie direkt nach Tara bringen würde … Heiliger Schnappwichtel, etwas Besseres hätte ihnen gar nicht passieren können! Keine Gewaltmärsche mehr durch die Menschenwelt, keine Überfälle auf Supermärkte, kein Windelwechsel.
    Die letzte aus ihrem Vorrat lag im Kinderwagen; warm eingemummelt, samt ihrem Träger. Cor beugte sich manchmal über den Rand der wollenen Decke, um nachzusehen, ob Talamh endlich schlief. Aber jedes Mal blickte er in große, weit geöffnete Babyaugen. Jedes Mal lachte der Wonneproppen herzhaft. Und jedes Mal trat der Kau dem Spriggans ans Bein. Er zielte eigentlich auf Cors Hintern, aber da kam er nicht dran, solange sein Gefährte derart aufgeblasen war.
    »Bleib von dem Wagen weg!«, forderte der dünne, kleine Elf fauchend. »Wir wissen, dass Talamh drin ist, und wir wissen, dass er nicht rausfallen kann. Also was gibt es da dauernd

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