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Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse

Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse

Titel: Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse Kostenlos Bücher Online Lesen
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sollte als Geländer dienen und war gänzlich unbrauchbar. Es sei denn, man hatte Spaß am Festfrieren.
    David wies nach vorn, auf einen großen Schatten. »Siehst du das? Ich glaube, das ist ein Torbogen.«
    Es war einer, und er durchbrach einen angenehm hohen Mauerrest – eine Schutzwand, die sogar noch ihre Zinnen trug. Die Gefährten passierten den Torbogen und traten zur Seite. Schlagartig hörte der Wind auf, an ihnen herumzuzerren. Nadja strich ihre Haare zurück.
    »So weit, so gut«, sagte sie aufatmend. Der schmale Pfad hatte sich zu einem richtigen Weg erweitert; breit genug, um ihn mit dem Auto zu befahren. Natürlich war keines da. Und auch sonst nichts – kein Licht, kein Mensch, kein Schild mit der Aufschrift
Haltet durch, ihr habt es gleich geschafft!
In der Abenddämmerung jenes kalten Wintertages wirkte die zerfallene Burg wie der einsamste Platz der Welt, und wen das Schicksal dorthin verschlug, konnte gar nicht anders, als sich verloren zu fühlen.
    »Wenigstens sind wir zusammen«, sagte die junge Frau gerade, als sie zwischen den starren Schatten eine Bewegung wahrnahm. Jemand – oder etwas – war ein Stück weiter vorn hinter einer leeren Fensterhöhle vorbeigehuscht. Nadja runzelte die Stirn.
    »Hallo? Ist da jemand?«, rief sie.
    David schien die Bewegung auch bemerkt zu haben. Nachdenklich schaute er auf das Bogenfenster, dessen unterer Rand kaum mehr als einen Meter über dem Boden lag. Ohne seinen Blick von der Stelle zu nehmen, ging der Elf los.
    Erschrocken griff Nadja nach seinem Arm. »He, wo willst du hin?«, flüsterte sie.
    »Ich spüre hier was«, sagte er nur. »Irgendeine Art von Magie. Mal sehen, wer da rumläuft.«
    Nadja folgte ihm. Es gab Momente, da brandete Widerstand in ihr hoch gegen diese absolute, typische Sorglosigkeit der Elfen, die nach Jahrhunderten der Unsterblichkeit scheinbar jedes Gefühl für Gefahr verloren hatten. Dies war so ein Moment.
    Unglaublich!
, dachte sie gereizt.
David bringt sich nochmal um mit seiner … Was ist das?
    Sie hob die Brauen, starrte ungläubig zu der Mauer mit dem Fenster hin, und zwinkerte ein paarmal, um das verrückte Bild loszuwerden, das sich ihr bot. Doch es ging nicht weg. Da lehnte ein Mann am Rand der Steine, die Arme vor der Brust verschränkt. Er hatte sich königlich gewandet und trug – war es denn zu glauben? – einen vergoldeten Reif im Haar, den Vorläufer einer Krone.
    Nadja warf einen Klageblick himmelwärts. Sie hatte um Rettung gebeten, doch gewiss nicht durch einen Spinner. Aber vielleicht gehörte er ja auch zu einer dieser Truppen, die sich in knallbunte, pseudomittelalterliche Kostüme warfen und auf Burgruinen Ritterspiele veranstalteten. Allerdings fanden solche Spiele eher tagsüber statt und vor zahlendem Publikum.
    »Seid gegrüßt!«, sagte der Fremde, als wäre es das Selbstverständlichste schlechthin, sich in der Abenddämmerung zwischen Ruinen zu begegnen. »Erlaubt mir die Frage: Was führt Euch zu dieser Stunde nach Tintagel?«
    »Tintagel!«, rief Nadja erstaunt. Sie fasste nach Davids Arm und sagte hastig: »Wir sind in England! In Cornwall, um genau zu sein. Tintagel ist oder eher war Uther Pendragons Burg. Na ja, eigentlich gehörte sie dem Herzog von Cornwall, Gorlois. Er war mit einer Frau namens Igraine verheiratet. Sie muss wunderschön gewesen sein, und …«
    »Das war sie«, fiel ihr der Fremde ins Wort.
    »J… ja.« Nadja streifte ihn mit einem Blick, der für sich selbst sprach, und fuhr – an David gerichtet – fort: »Also, sie muss wunderschön gewesen sein, und Uther Pendragon, ein englischer Hochkönig, hat sich unsterblich in sie verliebt. Gorlois wollte sie aber nicht hergeben, deshalb hat …«
    »Gorlois war ein Idiot!«, sagte der Fremde verächtlich. Er wandte sich an David. »Was der König wünscht, das gibt man ihm. Uther hat sich so über diesen Dummkopf geärgert, dass er mit einem Heer gegen Cornwall gezogen ist. Eigentlich hatte er gehofft, Gorlois würde einlenken und ihm Igraine überlassen, aber nichts da! Deshalb hat sich Uther an Merlin gewandt …« Er zögerte, und sein Blick wurde fragend. »Ich weiß nicht: Kennt Ihr Merlin, den Zauberer?«
    »Ja, sicher. Wer kennt ihn nicht?«, antwortete Nadja.
    David schwieg, und Nadja wusste, warum. Er konnte schlecht sagen, dass er erst im Sommer dem Magier persönlich begegnet war. Und nicht nur das – er hatte ihn aus dem jahrhundertelangen Bann befreit …
    »In der Tat. Er ist eine Berühmtheit geworden.«

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