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Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse

Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse

Titel: Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse Kostenlos Bücher Online Lesen
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Der Fremde zupfte nachdenklich an seinem Bart. »Ich frage mich, ob Merlin noch lebt.«
    »Wir hätten da auch eine Frage.« Nadja rubbelte sich über die kalten Arme. »Gibt es hier irgendwo in der Nähe eine Stadt? Ein Dorf? Menschliches Leben?«
    Der Fremde musterte sie verwundert. »Seid Ihr … eine Frau?«
    Nadja stemmte die Fäuste in die Seiten. »Sagen Sie mal, wollen Sie mich beleidigen?«
    »Äh, nein. Aber Ihr tragt Hosen, das ist nicht üblich für eine Frau.« Der Fremde riss die Augen auf. »Oder seid Ihr auf der Flucht und müsst Euch so gewanden, damit Ihr nicht auffallt?«
    »Okay, das reicht«, sagte Nadja energisch. »Vielen Dank für die Vorstellung, aber ich habe jetzt wirklich keine Lust mehr auf diese Late-Night-Show. Mir ist kalt, es ist zu dunkel und … Oh nein! Sehe ich das richtig, David? Fängt es an zu schneien?«
    Das tat es. Nicht etwa schöne, dicke Flocken, was bei aller Kälte wenigstens noch ein hübscher Anblick gewesen wäre. Nein, was der Himmel über Cornwall da in den Wind streute, waren winzige Flöckchen, so vollgesogen mit eisiger Nässe, wie sie nur tragen konnten. Sie schmolzen auf Haut und Haaren und auf der Kleidung. Der Fremde nahm es gelassen hin. Das konnte er auch, denn unter seinem langen Mantel mit dem Besatz aus vermeintlichem Hermelin-Imitat war es sicher mollig warm.
    Nadja streckte die Hand aus. »Würden Sie mir kurz Ihr Handy leihen?«
    »Mein was?«
    »Nur für ein Ortsgespräch. Bitte!«
    »Es tut mir leid, aber ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht.«
    Nadja warf einen Hilfe suchenden Blick auf ihren Begleiter. David hatte die ganze Zeit geschwiegen. Er stand nur da, statt sie zu unterstützen, und sah den Fremden an. Nachdenklich, abwägend. Sie gab ihm einen sanften Schubs mit dem Ellbogen. Das schien den Elfen aus seinen Gedanken zu holen, er räusperte sich – und nickte dem Fremden zu.
    »Ihr seid echt, nicht wahr?«
    »Echt? Was meint Ihr damit?«
    »Eure Gewandung.« David streckte die Hand nach dem Mantel aus, zog sie aber zurück, ohne ihn zu berühren. »Ihr seid kein Schauspieler, ich meine: Gaukler. Kein Possenreißer.«
    »Was fällt Euch ein?«, rief der Fremde, aufrichtig empört. Er legte seine Hand auf die Brust, deutete eine Verbeugung an und fuhr fort, ohne die Stimme zu senken: »Ich bin Cunomorus, König von Lyonesse, und kein … Possenreißer!«
    Das letzte Wort spuckte er David förmlich entgegen. Der wandte sich Nadja zu und raunte triumphierend: »Ich wusste es! Ich hab’s gespürt. Schon am Torbogen habe ich gemerkt, dass hier jemand aus der Anderswelt unterwegs ist. Ich habe von dem Mann gehört. Er kommt aus Crain!«
    »Lyonesse hat doch nichts mit Crain zu tun«, sagte Nadja verwirrt. »Du musst dich irren, David. Lyonesse war ein Königreich, das unterhalb von Cornwall lag. Am Land’s End. Es ist nach einem Beben im Meer versunken.«
    »Ist es nicht«, mischte sich Cunomorus ein.
    »Ist es doch«, beharrte Nadja, während sie sich mit wachsender Verzweiflung die Flocken vom Haar wischte. Ein nasser Kopf bei Kälte und Wind, das konnte fatale Folgen haben. Es zeichnete sich ab, dass sie den Kampf verlieren würde. »Ich weiß, dass die Fischer vor Land’s End manchmal Dinge in ihren Netzen finden, die nicht im Meer sein dürften: Türen, Fenster, alles Mögliche. Das beweist, dass Lyonesse untergegangen ist.«
    »Nein, es beweist, dass mein Volk die Anweisungen seines Königs nicht befolgt.« Cunomorus seufzte. »Ich hatte darum gebeten, ausrangierte Gegenstände nur durch das Portal zu entsorgen, das hinaus in den Atlantik führt. Aber es liegt bei den Scilly-Inseln, das ist für Bewohner der Hauptstadt ein weiter Weg. Deshalb benutzen sie manchmal das alte Portal am Land’s End. Es ist eigentlich geschlossen, aber undicht. Ich werde Abhilfe schaffen, das verspreche ich Euch.«
    Er seufzte noch schwerer. Dann fügte er hinzu: »Wenn ich wieder in mein Land komme.«
    David horchte auf. »Wollt Ihr damit sagen, dass sich hier ein Portal nach Lyonesse befindet?«
    »Nein, das wollte ich nicht«, antwortete Cunomorus düster. »Es gibt zwar eines, unten in Merlin’s Cave, aber es ist nutzlos.«
    Der König verstummte. Nadja sah, wie seine Schultern heruntersanken, als trügen sie eine erdrückende Last. Er schwieg eine ganze Weile, ehe er zu David aufblickte, und es fiel ihm sichtlich schwer, das Unglück auszusprechen. »Lyonesse wurde überfallen. Es geschah so plötzlich. Wir waren völlig überrascht, und ich … konnte

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