Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse

Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse

Titel: Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
keines verdient. Aber eine Alternative gab es nicht, und so tasteten sich Nadja, David und der König in der Dunkelheit hinüber, trotz Wind und Schneegestöber. Sie froren deutlich weniger, als sie das jenseitige Brückenende erreichten.
    Von dort kamen sie besser voran. Cunomorus berichtete seinen Begleitern auf dem Weg zur Vorburg, was er über den Angriff auf Lyonesse wusste. Viel war es nicht, denn der Überfall hatte sich aus heiterem Himmel ereignet. Gänzlich unerwartet und gegen jede Logik. Seit dem Ausbruch des Krieges waren die Grenzen von Lyonesse hermetisch verschlossen – nach menschlichem und elfischem Ermessen hätte kein Fremder ins Land gelangen dürfen. Und doch war es jemandem gelungen.
    »Er hat einen Fluch über die Schmetterlinge gesprochen«, erklärte Cunomorus.
    »Schmetterlinge?«, fragte Nadja zähneklappernd.
    »Ja.« Der König löste die goldene Spange an seinem Mantel, zog ihn von den Schultern und legte ihn der jungen Frau um. Nun, da er wusste, wer Nadja war, sah er sie offenbar mit anderen Augen. »Wir züchten Rosen in Lyonesse, und die haben, als die Grenzen noch offen waren, Schmetterlinge aus Crain angelockt. Es sind keine gewöhnlichen Falter. Sie sind groß und prächtig anzusehen, und sie haben ihre eigene Magie: Ihr Flügelschlag löst bunte Träume aus. Deshalb pflanzen wir unter den Schlafzimmerfenstern unserer Kinder immer einen Rosenstrauch, um die Schmetterlinge herbeizurufen.«
    Er stockte einen Moment. Mutlos sagte er dann, mehr zu sich selbst als zu den Gefährten: »Ich sollte von alledem wohl eher in der Vergangenheit sprechen.«
    »Auf keinen Fall!«, widersprach Nadja energisch. Sie tastete in der Dunkelheit nach dem Arm des traurigen Königs und drückte ihn aufmunternd. »Ihr dürft nicht aufgeben, Cunomorus. Niemals! Es ist …«
    »Gefährlich?« Er lachte freudlos. »Ich bin nur ein Halbelf. Einer wie ich versteinert nicht, wenn er sich aufgibt.«
    »Das meinte ich gar nicht«, sagte Nadja. »Ich wollte Euch daran erinnern, dass ein ganzes Volk zu Euch aufsieht! Wenn Ihr resigniert, dann werden auch die Bewohner von Lyonesse nicht mehr kämpfen, und das Land geht zugrunde. Ihr seid der König, Cunomorus!«
    »Und wie überdrüssig bin ich dieses Amtes«, rief er hinaus in die Winternacht. Dann senkte er die Stimme. »Ich hätte den Rosenthron längst aufgegeben, wenn Tristan noch lebte. Er war die Zukunft, auf ihm ruhten alle Hoffnungen. Ein Mann ohne Fehl und Tadel, Englands goldenes Kind. Der Erbprinz von Lyonesse. Mein Sohn Tristan.«
    Das letzte Wort endete mit einem Schluchzer.
    David zog Nadja an sich und wisperte in ihr Ohr: »Tristan?«
    »Er war ein Ritter der Tafelrunde«, flüsterte sie zurück. »Er sollte eine Frau namens Isolde nach Cornwall bringen, die dem dortigen Herzog versprochen war. Aber dann hat Tristan sie verführt und …«
    »Das ist nicht wahr!«, schrie Cunomorus. Nadja griff unwillkürlich an den Mantel, weil sie befürchtete, der König würde ihn ihr entreißen. Doch das tat er nicht. Er sagte nur aufgebracht: »So etwas hätte Tristan nie getan, niemals! Er war viel zu aufrichtig und ehrbar, um sich der Frau eines anderen zu nähern. Ich weiß, dass die Anschuldigungen falsch sind, denn ich kenne die Identität desjenigen, der den Zaubertrank gemischt hat, mit dem das ganze Unheil begann.«
    »Was geschah mit Eurem Sohn?«, fragte David. Er kannte die Geschichte nicht – und das blieb auch vorläufig so, denn Cunomorus antwortete ihm schroff, dass er darüber nicht reden wolle.
    Mittlerweile war es so dunkel, dass Nadja die Hand nicht mehr vor Augen sah. Nachtwind heulte um den Felsenhügel, Kälte und Schneegestöber nahmen zu. David entzündete ein magisches Licht, das in Bodennähe vor den Gefährten herschwebte, bis sie die weiter landeinwärts liegende Vorburg erreichten. Sie war jener Teil der Burganlage Tintagel gewesen, in dem sich alles befand, was der wirtschaftlichen Versorgung der Bewohner diente, zum Beispiel Lagerräume, Gesindehäuser, Scheunen, Werkstätten. Pferde und Nutzvieh wurden ebenfalls darin untergebracht. Es stimmte Nadja nachdenklich, dass ausgerechnet dieser Teil von Tintagel so viel besser erhalten blieb als der prachtvolle Rittersaal mit seinem Blick auf das Meer und die Gemächer der hohen Herrschaften.
    Cunomorus führte Nadja und David zu einem Unterschlupf an der halbrunden, hohen Außenmauer, der zwar nicht mehr erkennen ließ, zu welchem Gebäude er einst gehörte, dafür aber noch ein

Weitere Kostenlose Bücher