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Seidel, Willy: Alarm im Jenseits. Nn. 1927

Seidel, Willy: Alarm im Jenseits. Nn. 1927

Titel: Seidel, Willy: Alarm im Jenseits. Nn. 1927 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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ehesten noch für Zerstreuung und Gespräch zu haben. Einstweilen schläft hier alles, die Größten schlafen am längsten; du kannst also erst morgen abend mit ihnen konferieren. Da du als Eleve noch keinen festen Schlaf haben wirst, so darfst du mich bei meinem Nachtwächterdienst unterstützen und aufpassen, daß nichts passiert. Es gibt hier noch ein paar zweifelhafte Herren, auf die man achten muß, und Dummheiten sind hier, wie auf Erden, immer noch schnell gemacht.«
    Gabriels Häuschen stand an der Tür des Eingangs; er ging hinein und holte sich eine lange Bambusstange, an der eine violette Papierlaterne baumelte, die ein sanftes, zärtliches Licht ausstrahlte. – – Der Hahn, wie ein fernes Glöckchen, krähte noch einmal melodisch; dann flog er über das Dorf, mit buntem Gefieder; sein Schweif glich einem kleinen Kometen. Ein köstlicher, leiser Choral erhob sich, der trotz seiner Getragenheit eine gewisse, leicht pulsierende Grazie der Tongebung erkennen ließ. Dann stand ein funkelnder Sternenhimmel wie eine blaue Glocke über die Alpe gestürzt, und die ganze Nacht hindurch sah man die Umrißlinien der Gebirge leise leuchten . . .
Das große Uhrwerk
    Nach längerem, schweigendem Warten bemerkte Boggi, wie die Papierlaterne sich senkte: Gabriel war müde geworden, Gabriel schlief ein. Er sank ins Gras und schlief gesund und rotwangig, den Kopf auf die volle Achsel gebettet. Boggi fing die Laterne auf und promenierte umher, indem er angestrengt über das bisher Erlebte nachdachte. Da mußte er plötzlich unaufhaltsam lachen und bog sich vor Vergnügen. Indem er so mit sich selbst beschäftigt leise kicherte, übersah er einen Mann, der ihm entgegenkam; er trug eine Krücke und humpelte. Ein feines, weißes Gesicht unter einer seidenen, etwas fleckigen Kopfbinde. Und siehe da: der Mann kicherte gleichfalls, doch lautlos, wie angesteckt, und sprach: »Haben wir einen neuen Nachtwächter bekommen? Gott zum Gruß, Freund; wir sind Leidensgenossen; wir sind beide schlaflos; der Intellekt kommt nicht zur Ruhe.«
    Boggi schnellte empor und erkannte in dem Mann den Dichter und Plauderer Harry Heine wieder. Er sammelte sich schnell und sprach: »Ich wußte selbst kaum, worüber ich lachte, Meister.«
    »Also bloß animalisches Wohlbefinden«, sagte Harry und kicherte spitz, ein bißchen schwindsüchtig. Dann fuhr er zusammen und tastete sich langsam und sorgfältig seinen Rücken ab. »Es gibt mir jedesmal einen Riß in der verdammten Wirbelsäule, wenn ich heiter bin«, stöhnte er. – Dann freundlicher: »Doch schwindeln Sie nicht; Sie sind noch ein Neuling und auch vom sarkastischen Fach, wie mich dünkt. Sie dachten! Man hat, besonders wenn man noch so schlecht schläft wie ich, eine Art Ferngefühl und spürt es, wenn jemand denkt . Deshalb ersuche ich Sie: Lassen Sie uns ein wenig plaudern. Wir wollen promenieren, es ist noch mitten in der Nacht.«
    Boggi faßte ihn unter den Arm, und mit schlürfendem Schritt ging der Meister neben ihm her.
    »Man hat es ja ganz gut hier,« sagte er, »alles in allem ist's eine Sinekure, ein Sanatorium für überreizte Gehirne. – Wissen Sie, ich bin auch nur hierhergekommen, weil ich eine Art Unikum bin und außerdem noch Märtyrerverdienst um eine gute Sache habe. Ich habe mich keineswegs, wie Sie vielleicht, elegant mit dem Leben abgefunden, sondern unentwegt daran geglaubt, und an die hübschen Begriffe und Nippsachen, die das Dasein herkömmlicherweise verschönern sollen. Da ich eine lose Zunge hatte, ging mir's zuweilen recht munter, und ich wäre eine Hauptakquisition für unseren Marquis geworden –« (er flüsterte jetzt und sah sich scheu um), »wenn ich nicht wirklich empfunden hätte. Ja, das habe ich, Gott steh mir bei! – Ich habe nicht bloß nachgestammelt, sondern auch produziert! Unter Herzkrämpfen, ich versichere Sie! So sind denn auch einige ganz gute Sachen zustande gekommen. Doch dann geriet ich in Ihr Fahrwasser und warf mich aufs Glossieren. Daher kam's, daß ich manche eigene, echte Träne, die was darstellen sollte, unter die Lupe des Witzes nahm, wo sie nach kurzem Funkeln flugs verduftete; im Grunde bin ich ja auch nur ein Instrument für Augenblicksgefühlchen gewesen. Ich komme mir eigentlich unangebracht vor, hier, unter diesen Titanen . . . Man hat mich ans äußerste Endchen plaziert«, sagte er hüstelnd und schnupfte sich in ein gesticktes Taschentuch. »Doch Gabriel ist ein guter Bengel; er hat ein Herz für mich.«
    »Aber

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