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Seidel, Willy: Alarm im Jenseits. Nn. 1927

Seidel, Willy: Alarm im Jenseits. Nn. 1927

Titel: Seidel, Willy: Alarm im Jenseits. Nn. 1927 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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liebsten, und so ist er zu jeder Gefälligkeit zu haben.«
    »Aber ich kann mir nicht helfen!« rief Boggi in komischer Verzweiflung. »Ich muß doch kritisieren! – Ich muß mich doch amüsieren! – Und im Himmel amüsiert man sich doch!«
    »Hol' Sie der Teufel!« schrie Gabriel, fuchsrot in seinem hübschen Gesicht. »Sie haben sich nicht zu amüsieren! – Sie machen sich unmöglich; probieren Sie's bloß! – Hier empfindet man!!« Er seufzte auf. »Mit Ihrer Rasse hat man doch die meiste Schererei! – Doch ich bin hier angestellt; ich habe Ihnen Direktiven zu geben und erwarte Gehorsam von Ihnen. – Leuten Ihres Schlages muß man derb kommen«, setzte er wie entschuldigend hinzu und schlug seine hyazinthblauen Augen fast verschämt zu Boggi auf.
    Boggi lachte, und der gute Gabriel, verwirrt und schier von seiner eigenen Kühnheit eingeschüchtert, machte den Vorschlag, zu gehen.
    »Ich habe hier den Führer zu machen«, sprach er. »Deshalb ersuche ich Sie, sich Ihren mokanten Verkehrston möglichst bald abzugewöhnen, denn sobald Sie irgendwie literarisch werden oder gar einen Witz machen, sind Sie unmöglich und müssen verduften – wie Sie das machen, ist Ihre Sache; doch wir werden's Ihnen schon erleichtern.«
    »Ich will mir aufrichtige Mühe geben«, versprach Boggi und blinzelte seinen Führer an. »Aber sagen Sie: ist das Leben hier oben so ohne Amüsement nicht sterbenslangweilig? – Den ganzen Tag kann man doch die Wolken nicht zählen; da ist die größte Portion Phantasie bald zu Ende.«
    »Sie müssen das nicht sagen«, erwiderte Gabriel eifrig. »Die Art Abwechslung, die Sie vielleicht gewohnt sind, gibt's hier freilich nicht; und doch hat man hier vollauf zu tun. Womit, werde ich Ihnen etwas später sagen. Doch eins müssen Sie zugeben: auch das Vegetieren in Sonne und Erdwärme hat sein Gutes; man erfüllt seinen Kreis wie eine Pflanze, und wenn man Lust hat, vergeht man ins All-Blaue. Gefällt einem aber der Zustand (ein klein bißchen beschauliches Kalkül behält man sich doch vor), so zeugt man sich fort, wie ich's mache; ich bin schon meine dritte Generation, durch drei farblose und schöne Mütter – ihr kennt sie nur unter großen Deckwörtern – dreimal aufgefrischt und verjüngt, ohne ein Quentchen meiner Eigenart einzubüßen. Man wächst hier furchtbar langsam und braucht bloß Luft und Wasser. Na, und so ist man für die Ewigkeit eingerichtet; leidlich zeugungskräftig ist man ja immer noch!« Er knallte sich wohlgefällig mit der flachen Hand auf den prallen Schenkel.
    Boggi meinte: »Der Himmel sieht wesentlich anders aus, als man sich da drunten vorstellt. Man hat da viele Draperien und Kulissen, womit man diese einfache und freundliche Gegend umstellt und sie nach dem Geschmack phantasievoller Religionsgründer einrichtet. Schon das gefällt mir, daß man keinen Weihrauch riecht und die Sache keinen spezifisch christlichen Anstrich hat. Wie ich herkam, erwartete ich, schwarze Pfäfflein mit Harfen umherwallen zu sehen. Aber davon kann ich gottlob nichts entdecken.«
    Gabriel hatte ihm angestrengt zugehört und all seine Geisteskräfte zusammengenommen. »So?« sagte er, »da habt ihr also drunten immer noch eure Tradition. Ich muß dir nämlich sagen, daß selten einer von denen, die heraufkommen, eine vorgefaßte Meinung hat. Sie wissen sich zum größten Teil ohne Vorurteil hier einzuleben, haben sozusagen schon auf Erden Präzedenzfälle für hiesiges gutes Benehmen dargestellt. Denn Vorurteilslosigkeit ist ein Haupterfordernis für hier oben. – Du hast doch nicht etwa eine Meinung?!«
    »Nein,« log Boggi, »ich lasse alles gelten.«
    Gabriel sah ihn von unten bis oben an und spazierte einmal um ihn herum. Dann lächelte er listig und sprach: »Du bist ein Schäker. Du hast deine Toleranz – freilich. Es ist aber eine spezielle Toleranz, mein Lieber! Eine Toleranz, die Ansprüche an die Dinge stellt, die sie toleriert, eine Aftertoleranz aus Bequemlichkeit; und was ihr zuwiderläuft, tut sie als geschmacklos ab. – Diese ist von der hier verlangten Toleranz grundverschieden.«
    Boggi dachte: »Der unheimliche Bengel duzt mich schon; er scheint an Respekt zu verlieren. – Ich werde ihm einmal anders kommen. – – »Gabriel,« sagte er laut und pointiert, »Kritik verbitte ich mir, du junger Mensch. Ihr mögt ja hier oben auch euere Eigenheiten haben – gut. Aber ich bin so, wie ich bin, verstanden?« Er reckte sich gebieterisch in Pose.
    »Soooo?« erwiderte

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