Seidene Küsse
traf sie, und Schneewehen fegten herein, die sich in der Wärme sofort in kleine Wasserlachen auflösten. Hoffentlich würde sie nicht vollständig eingeschneit werden, denn in zwei Tagen musste sie wieder zurück, zurück in die Tretmühle des Alltags.
Es war so behaglich hier drinnen, deshalb wollte sie sich gleich fürs Bett fertig machen; aber zuerst legte sie noch etwas Holz nach, damit die mollige Wärme erhalten blieb. Da die Hütte über keine moderne Technik verfügte, also auch keine Zentralheizung und kein Warmwasser hatte, würde sie sich gleich hier ausziehen. Sarah entledigte sich ihrer Kleidung und behielt nur noch die Unterwäsche an, ein schwarzer Hauch aus Spitze. Im Fenster sah sie schemenhaft ihr Spiegelbild. Die wilden roten Locken, die kaum zu bändigen waren, und den Busen, der ihr immer zu groß vorkam – etwas, mit dem sie gelernt hatte zu leben. Ihre Taille wirkte verschwindend schmal, die grünen Augen leuchteten ihr entgegen. Sie tapste in ihren dicken Wollsocken zum Sessel. Dort machte sie es sich bequem, zog die Beine hoch und las in ihrem Buch, das sie sich für die langen, einsamen Abende mitgebracht hatte.
Als es an der Tür klopfte, hob sie überrascht den Kopf. Verdammt, wer mochte sich da verirrt haben? Egal, wer auch immer da draußen war, sie würde ihn wegschicken. Sarah hatte noch nicht einmal etwas gesagt, als schon die Tür aufflog, ein Schneegestöber hereinfegte und mit ihm ein großer, gut aussehender Mann. In seinen schwarzen Locken glänzten Schneeflocken, die wie Kristalle im warmen Kerzenlicht aufleuchteten.
»Machen Sie schon die Tür zu, sonst weht noch der ganze Schnee herein«, befahl sie und sprang auf, wobei sie das Buch achtlos auf den Sessel warf.
Der Fremde schloss die Tür und schüttelte den Schnee von seiner Skikleidung. Dabei musterte er sie von oben bis unten, was ein süffisantes Lächeln auf seinen Mund zauberte. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Ein Mann, der ihre Einsamkeit störte und sie dann auch noch wie eine Nachspeise anstarrte. In diesem Moment fiel ihr erst ein, dass sie so gut wie nichts anhatte. Aber das war nicht zu ändern.
»Verdammt, das ist meine Hütte!« Kämpferisch zeigte sie mit dem Zeigefinger zur Tür. »Am besten, Sie verschwinden gleich wieder.«
Er besaß tatsächlich die Frechheit und lachte. »Vielleicht ist es Ihnen noch nicht aufgefallen, aber selbst wenn ich wollte, ich kann nicht raus in diesen Sturm.«
Lässig nahm er den Rucksack ab und stellte ihn auf den Holzboden, ohne den Blick von ihr abzuwenden. Dann schnürte er die Skischuhe auf und zog sie aus. »Auch hallo. Schön warm ist es hier drinnen.«
Wütend fauchte sie ihn an: »Ich weiß. Aber es ist meine Hütte, und ich will, dass Sie wieder abhauen.« Sarah stemmte eine Hand in die Hüfte, spürte, dass sie nach wie vor fast nackt war. Noch wütender stampfte sie zum Kleiderhaken, zog ihren Skianorak herunter und schlüpfte schnell hinein. Sie machte sich erst gar nicht die Mühe, den Reißverschluss zu schließen, sie zog ihn einfach zusammen und verkreuzte aggressiv die Arme vor der Brust. Sein zynisches Lächeln hätte sie ihm am liebsten aus dem Gesicht gewischt. »Was gibt es da zu grinsen? Haben Sie noch nie eine halbnackte Frau gesehen?« Dieser Blödmann, er konnte doch nicht einfach so in ihr Reich eindringen und ihr das wohlverdiente verlängerte Wochenende verderben.
»Außerdem brauchen Sie erst gar nicht Ihren Rucksack abzusetzen, Sie können gleich wieder verschwinden.«
»Erstens
grinse ich nicht
darüber,
sondern ich grinse Sie an.
Zweitens
habe ich schon öfters
nackte
Frauen gesehen, bilden Sie sich also nichts darauf ein.«
Kampflustig trat sie auf ihn zu. »Sie brauchen jetzt nicht versuchen, mich zu beleidigen. Sie können froh sein, dass Sie einmal in Ihrem Leben so etwas Tolles wie mich zu Gesicht bekommen haben. Aber nichtsdestotrotz müssen Sie jetzt gehen. Ich habe diese Hütte das ganze Wochenende gemietet, und Sie haben hier nicht das Geringste verloren.«
Sie stand sehr dicht vor ihm, deshalb ging er andeutungsweise einen Schritt auf sie zu und ließ ihr damit nur die Möglichkeit, entweder mit ihm Körperkontakt aufzunehmen oder aber vor ihm zurückzuweichen. Sie wich zurück.
»Ich heiße Toni.« Nachdenkl ich sah er sie an. »Warum fliehen Sie vor mir? Denken Sie«, er machte eine bedeutungsschwere Pause, »ich könnte Ihnen etwas antun?« Provozierend blickte er sie an. Kurz flammte Angst in Sarah auf, doch sie
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