Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seidene Küsse

Seidene Küsse

Titel: Seidene Küsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Leheta
Vom Netzwerk:
ähnlich Weltbewegendes benötigt worden wäre. Ein Name, ein paar Daten in goldenen Lettern auf einem unauffälligen Grabstein, davor ein dekoratives Blumenarrangement, das überhaupt nicht meinem Geschmack entspricht (ich verabscheue kunterbunte Blumensträuße und Thujenhecken), gestaltet von unmotivierten Friedhofsgärtnern, die mich nie lebend getroffen hätten.
    In der Waldstraße Nr. 15b sollte mein neues Leben beginnen, in der Mansarde einer gepflegten kleinen Siedlung mit identi schen Mehrfami li en rei hen häu sern, fünf Parteien in jedem Haus. So klein, dass sie nicht mal durchnummeriert, sondern le dig lich durchbuchstabiert waren. Mein neuer Wohnsitz lag im einzigen Viertel meiner Heimatstadt, das mir so gut wie fremd war. Aber genau das war der Sinn und Zweck: Nichts, nicht das kleinste Detail in meiner Umgebung sollte mich an mei nen geschie de nen Mann Hol ger, die sen Betrü ger, erin nern.
    Nur so hätte ich die Chance, ganz von vorn anzufangen, sagte mein Kopf. Mein Gefühl sagte etwas anderes. Von wegen Neuanfang, es fühlte sich an wie das Ende. Das Ende von allem. In meinen Augen hatte ich nichts mehr, für das es sich zu leben lohnte.
    Um mich so schnell wie mögtich loszuwerden, hatte sich Holger rührend darum gekümmert, dass ich in Rekordzeit eine neue Wohnung fand, und dass sie nicht in Sichtweite lag, war natürlich auch in seinem Interesse.
    Der Umzug war leicht gewesen.
    »Du bist mit nichts gekommen, Veronika. Damit kannst du gehen«, hatte Holgers liebevolle Ansage gelautet. Dann hatte er mich noch freund lich auf den Ehevertrag hinge wie sen, den er mir als Bedingung für unsere Hochzeit vor vier Jahren unter die Nase gehalten und den ich natürlich unterschrieben hatte. Er war schon immer ein Schätzchen gewesen …
    In Anbetracht dessen, dass Holgers Neue (ich will mich gar nicht erst an ihren Namen gewöhnen) keine Sekunde zögerte, sich ins gemachte Nest zu setzen, ist es ein Hohn, dass sie sich weigerte, sich in unser Bett zu legen (ich bin mir sicher, dass das längst geschehen war). Mein Umzugsgut bestand also aus unserem Ein-Meter-achtzig-Ehebett inklusive allem Zubehör – denn wir teilten zwar den Mann, aber nicht den Geschmack – und all den anderen Dingen, die die Neue selber in den gemeinsamen Haushalt einbringen oder die Holger loswerden wollte: die Hochzeits geschenke mei ner Ver wandten, ein paar Küchen- und Badutensi li en, ei nige Haus halts geräte und meine Kleidung.
    Das erste Mal alleine, das erste Mal arm. Und weder eine Vorstellung davon, wie ich weitermachen sollte, noch die Energie dazu, es anzugehen.
    Schon wieder Samstag. Meine de müti gen den Besu che beim Arbeitsamt waren auch in dieser Woche fruchtlos geblieben, und nun sah ich ein weiteres einsames, un aus gefülltes Wo chen-ende auf mich zukommen. Welch eine Aussicht. Der einzige Grund, aus dem Haus zu gehen, wäre gewesen, mir genügend Alkohol zu besorgen, um mich ordentlich betäuben zu können. Aber Exzesse waren noch nie meine Art gewesen, also verwarf ich diesen flüchtigen Gedanken gleich wieder.
    Wie so oft in den letzten Wochen hatte ich es nicht geschafft, mich anzuziehen. Der blanke Automatismus oder dieses Fünk-chen Selbstachtung, das noch irgendwo tief in mir schwächlich flackerte, hatte mich nach dem ersten Morgen-Cappuccino (das semiprofessionelle »Kaffeecenter« war ein Geschenk meiner Patentante – Gott sei’s gedankt) in die Dusche getrieben. Und als der heiße Massagestrahl auf mich niederprasselte, wanderten meine Gedanken genauso automatisch zu Holger.
    Was er wohl gerade machte?
    Acht Uhr fünfundzwanzig. Wahrscheintich lag er noch in den Federn. Im neuen, vermutlich eleganten und teuren Ehebett, aber bestimmt wieder auf der linken Seite. Einen Arm unter dem Kopfkissen, einen ausgestreckt, damit sie den Kopf darauf legen und sich an ihn kuscheln konnte.
    Aus mir hatte die Trennung einen Frühaufsteher mit tiefen Augenringen gemacht. Egal wie lange ich mich nachts vor der unerbittlichen Totenstille nach dem Lichtausmachen drückte, vor dem Gruß des
Morgen-Grauens
gab es kein Entfliehen. Gemeinerweise konnte ich zu dieser frühen Stunde noch nicht mal irgendein geräuschvolles nachbarliches Morgenritual dafür ver ant wort lich ma chen, mei nem si che ren Re fugium Schlaf so grausam ent ris sen zu werden, denn das ein zig Lärmende waren stets meine ne gativen Ge dan ken.
    Früher hatte ich Samst age gel iebt, Mont age gehasst. Das Wunderbare an den ehelichen Samstagen:

Weitere Kostenlose Bücher