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Seidenfächer

Titel: Seidenfächer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L See
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empfindet das natürlich so. Auch ich teile viele Eurer Befürchtungen. Doch genug für heute.« Sie hielt einen Moment inne, als würde sie nachdenken, obwohl uns allen eigentlich klar war, dass alles, was sie sagte und tat, längst vorher geplant und geübt war. Sie langte in ihren Ärmel, zog einen Fächer heraus und rief mich zu sich. Als sie ihn mir reichte, sagte Ehrenwerte Frau Wang über meinen Kopf hinweg zu meiner Mutter: »Ihr braucht Zeit, um über das Schicksal Eurer Tochter nachzudenken.«
    Ich ließ den Fächer aufschnappen und betrachtete die Wörter, die in einer der Falten hinunterliefen, und die Blättergirlande, die den oberen Rand zierte.
    Mama fragte die Kupplerin streng: »Ihr gebt das meiner Tochter, obwohl wir noch gar nicht über Euer Honorar gesprochen haben?«
    Ehrenwerte Frau Wang wischte diese Bemerkung weg wie einen üblen Geruch. »Da verhält es sich wie bei der Heirat. Der Familie Yi entstehen keine Kosten. Die Familie des anderen Mädchens kann mich bezahlen. Und wenn ich den Wert Eurer
Tochter steigere, indem sie eine laotong wird, dann fällt mein Honorar von der Familie des Bräutigams noch höher aus. Ich bin zufrieden mit diesem Arrangement.«
    Sie erhob sich und ging ein paar Schritte auf die Treppe zu. Dann drehte sie sich um, legte Tante eine Hand auf die Schulter und verkündete: »Eines solltet Ihr alle noch bedenken. Diese Frau hat ihre Tochter sehr gut erzogen, und ich sehe, dass Schöner Mond und Lilie sich sehr nahe stehen. Wenn wir uns über diesen laotong -Bund für Lilie einig werden können, was ihre Chance auf eine Heirat nach Tongkou vergrößern wird, dann wäre es wohl gut, dort auch nach einer passenden Partie für Schöner Mond zu suchen.«
    Diese Möglichkeit überraschte uns alle. Diesmal vergaß ich allen Anstand und wandte mich Schöner Mond zu, die so aufgeregt aussah, wie ich mich fühlte.
    Ehrenwerte Frau Wang hob die Hand und krümmte sie wie einen Halbmond. »Ihr habt natürlich vielleicht bereits Frau Gao engagiert. Ich möchte mich keineswegs in ihre örtlichen« – und damit meinte sie untergeordneten – »Geschäfte einmischen.«
    Spätestens dies zeigte, dass meine Tante dem Verhandlungsgeschick von Frau Wang nicht gewachsen war, die sich nun direkt an Mama wandte. »Für mich ist das eine Frauenentscheidung, eine der wenigen, die Ihr für Eure Tochter treffen könnt, und vielleicht auch für Eure Nichte. Nichtsdestotrotz muss auch Vater zustimmen, bevor wir weitermachen können. Mutter, ich werde Euch nun mit einem letzten Rat verlassen. Nutzt Eure Bettzeit, um Euch dafür einzusetzen.«
    Während Mama und Tante die Kupplerin zu ihrer Sänfte brachten, standen Ältere Schwester, Schöner Mond und ich in der Mitte des Zimmers zusammen, umarmten uns und schwatzten aufgeregt. War es möglich, dass mir so wunderbare Dinge widerfuhren? Würde Schöner Mond auch nach Tongkou heiraten?
Würden wir wirklich den Rest unseres Lebens zusammen verbringen? Ältere Schwester hätte wegen ihres eigenen Schicksals verbittert sein können, doch sie wünschte inständig, dass alles, was die Kupplerin vorgeschlagen hatte, in Erfüllung ging, denn sie wusste, dass dies unserer ganzen Familie nützen würde.
    Wir waren junge Mädchen und aufgeregt, aber wir wussten, wie man sich benahm. Schöner Mond und ich setzten uns, um unsere Füße auszuruhen.
    Ältere Schwester nickte in Richtung des Fächers, den ich immer noch in der Hand hielt. »Was steht denn da?«
    »Ich kann nicht alles lesen. Hilf mir.«
    Ich öffnete den Fächer. Ältere Schwester und Schöner Mond blickten mir über die Schulter. Zu dritt suchten wir bekannte Zeichen: Haus, Mädchen, gut, weiblich, du, ich.
    Da sie wusste, dass nur sie mir helfen konnte, kam Tante als Erste wieder nach oben. Mit dem Finger deutete sie auf jedes Zeichen. Ich lernte die Wörter auf der Stelle auswendig: Es heißt, bei dir im Haus gibt es ein Mädchen von gutem Charakter, das sich auf die weiblichen Künste versteht. Du und ich, wir sind im selben Jahr und am selben Tag geboren. Wollen wir Weggefährtinnen sein?
    Bevor ich diesem Mädchen namens Schneerose antworten konnte, mussten viele Dinge von meiner Familie abgewogen werden. Ältere Schwester, Schöner Mond und ich durften uns zwar nicht dazu äußern, aber wir verbrachten Stunden im oberen Gemach und lauschten, wie Mama und Tante die möglichen Konsequenzen eines laotong -Bunds besprachen. Meine Mutter war gescheit, aber Tante kam aus einer besseren Familie

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