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Seidenfächer

Titel: Seidenfächer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L See
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war mir klar, was das Schlimmste an einem solchen Leben war – dass man womöglich von jedem Mann, der in dem Haushalt lebte, nur fürs Bett benutzt wurde.
    »Die Schwester meiner Mutter hat uns gerettet«, sagte Schneerose. »Nachdem du und ich laotong geworden waren, fand sie eine ganz passable Partie für meine ältere Schwester. Sie kommt nicht mehr hierher. Später schickte meine Tante meinen älteren Bruder als Lehrling nach Shangjiangxu. Mein jüngerer Bruder arbeitet heute für die Familie deines Mannes auf den Feldern. Meine jüngere Schwester ist gestorben, wie du weißt …«

    Aber Menschen, die ich nie kennen gelernt und über die ich nur Lügen gehört hatte, waren mir egal. »Was ist denn mit dir passiert?«
    »Meine Tante hat meine Zukunft mit Schere, Stoff und Alaun verändert. Mein Vater hat protestiert, aber du kennst ja Tante Wang. Wer kann schon gegen sie an, wenn sie einmal eine Entscheidung getroffen hat?«
    »Tante Wang?« Mir schwirrte der Kopf. »Du meinst unsere Tante Wang, die Heiratsvermittlerin?«
    »Sie ist die Schwester meiner Mutter.«
    Ich drückte mir die Finger auf die Schläfen. An dem Tag, an dem ich Schneerose zum ersten Mal getroffen hatte und wir zum Gupotempel gefahren waren, hatte sie die Kupplerin mit »Liebste Tante« angeredet. Ich dachte, sie hätte das als Zeichen der Höflichkeit und des Respekts getan, und von da an hatte ich diese Höflichkeitsanrede auch immer verwendet, wenn ich Ehrenwerte Frau Wang angesprochen hatte. Ich kam mir dumm und töricht vor.
    »Das hast du mir nie erzählt«, sagte ich.
    »Von Tante Wang? Das war das Einzige, von dem ich angenommen hatte, dass du es weißt.«
    Das Einzige, von dem ich angenommen hatte, dass du es weißt . Ich ließ diese Worte auf mich wirken.
    »Tante Wang hat meinen Vater gleich durchschaut«, fuhr Schneerose fort. »Sie hat begriffen, dass er schwach war. Sie hat auch mich genau angeschaut. In meinem Gesicht hat sie gelesen, dass ich nicht gerne gehorchte, dass ich nicht aufpasste, dass ich bei der Hausarbeit völlig versagte, dass mir meine Mutter aber das Sticken beibringen konnte und wie man sich kleidet, wie man sich in Gegenwart eines Mannes benimmt und unsere Geheimschrift. Tante ist nur eine Frau, aber als Heiratsvermittlerin denkt sie auch ans Geschäft. Sie hat gesehen, was auf mich und meine Familie zukam. Deshalb hat sie nach einer
laotong gesucht, in der Hoffnung, dadurch würde überall in der Gegend bekannt werden, dass ich gebildet, loyal, gehorsam war …«
    »Und eine gute Partie«, schloss ich. Das galt auch für mich.
    »Sie hat den ganzen Landkreis durchkämmt und ist weit außerhalb ihres üblichen Reviers gereist, bis sie schließlich über den Wahrsager von dir gehört hat. Als sie dich dann kennen gelernt hat, hat sie beschlossen, mein Schicksal an das deine zu knüpfen.«
    »Ich verstehe nicht …«
    Schneerose lächelte reuig. »Für dich ging es nach oben und für mich nach unten. Als wir beide uns zum ersten Mal trafen, wusste ich gar nichts. Ich sollte von dir lernen.«
    »Aber du bist doch diejenige, die mir etwas beigebracht hat. Deine Stickarbeiten waren immer besser als meine. Und du konntest die Geheimschrift so gut. Du hast mich gelehrt, in einem Haus mit einer hohen Schwelle zu leben …«
    »Und du hast mir beigebracht, Wasser zu holen, Wäsche zu waschen, zu kochen, das Haus zu putzen. Ich habe versucht, es meiner Mutter zu zeigen, aber sie sieht alles nur, wie es einmal war.«
    Ich hatte bereits gemerkt, dass Schneeroses Mutter an einer Vergangenheit festhielt, die es nicht mehr gab. Aber nachdem ich von Schneerose gerade ihre Familiengeschichte gehört hatte, sah wohl auch meine laotong alles durch den glücklichen Schleier der Erinnerung. Da ich sie seit so vielen Jahren kannte, wusste ich, dass sie fand, der innere Bereich der Frauen sollte schön und frei von Sorgen sein. Vielleicht glaubte sie, alles würde wieder so werden, wie es einmal war.
    »Von dir habe ich gelernt, was ich für mein neues Leben wissen musste«, sagte Schneerose, »ich konnte nur nie so gut putzen wie du.«
    Das stimmte, das hatte sie nie gut gekonnt. Ich hatte immer
angenommen, auf diese Weise verschließe sie die Augen vor der Unordnung, in der wir lebten. Nun begriff ich, dass es für sie leichter war, hoch über den Wolken Luftschlösser zu bauen, als etwas Hässliches vor ihren Augen anzuerkennen.
    »Aber dein Haus ist so viel größer und schwieriger zu putzen als meines, und du warst doch noch

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