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Seidenfächer

Titel: Seidenfächer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L See
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ein Mädchen in den Tagen des Haarehochsteckens«, versuchte ich töricht, sie zu trösten. »Du hattest …«
    »Eine Mutter, die mir nicht helfen konnte, einen Vater, der opiumsüchtig war, und Brüder und Schwestern, die einer nach dem anderen weggingen.«
    »Aber du heiratest doch …«
    Plötzlich erinnerte ich mich an den Tag, als Frau Gao in das obere Gemach gekommen war und ich ihren letzten Streit mit Frau Wang mit angehört hatte. Was hatte sie noch über Schneeroses Verlobung gesagt? Ich versuchte, mir ins Gedächtnis zurückzurufen, was ich darüber wusste, aber Schneerose sprach selten, wenn überhaupt einmal, über ihren zukünftigen Mann; sie zeigte uns selten, wenn überhaupt einmal, ihre Brautgeschenke. Wir hatten sie manchmal an Baumwoll- und Seidentüchern arbeiten sehen, das schon, aber sie hatte immer behauptet, das seien Alltagsarbeiten, so wie die Schuhe für sie selbst. Nichts Ausgefallenes.
    Mir kam ein schrecklicher Gedanke. Schneerose musste in eine sehr niedrig gestellte Familie einheiraten. Die Frage war nur: wie niedrig?
    Schneerose schien meine Gedanken zu lesen. »Tante hat für mich getan, was sie konnte. Ich heirate keinen Bauern.«
    Das kränkte mich ein wenig, denn mein Vater war ein Bauer.
    »Dann ist er Händler?« Ein Händler, das war zwar ein unehrenhafter Beruf, aber er könnte vielleicht Schneeroses finanzielle Verhältnisse wieder verbessern.
    »Ich heirate ins nahe gelegene Dorf Jintian, genau wie Tante
Wang gesagt hat, aber die Familie meines Mannes«, wieder zögerte sie, »das sind Metzger.«
    Waaa ! Das war die schlimmstmögliche Heirat! Schneeroses neuer Mann würde ein wenig Geld haben, aber das, womit er es verdiente, war unrein und widerwärtig. Im Geiste spielte ich den ganzen letzten Monat noch einmal durch, als wir uns auf meine Hochzeit vorbereitet hatten. Insbesondere erinnerte ich mich, wie Ehrenwerte Frau Wang an Schneeroses Seite geblieben war und ihr Trost gespendet und ihr leise gut zugeredet hatte. Dann fiel mir ein, wie die Heiratsvermittlerin »Die Geschichte der Ehefrau Wang« erzählt hatte. Zutiefst beschämt begriff ich, dass diese Geschichte gar nicht für mich gedacht gewesen war, sondern für Schneerose.
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich hatte kleine Schnipsel der Wahrheit gehört, seit ich neun war, aber ich wollte sie lieber nicht glauben oder zur Kenntnis nehmen. Doch war es jetzt nicht meine Pflicht, meine laotong glücklich zu machen? Sie diese Widrigkeiten vergessen zu lassen? Ihr zu dem Glauben zu verhelfen, dass alles wieder gut werden würde?
    Ich umarmte sie. »Wenigstens wirst du nie Hunger leiden«, sagte ich, doch da sollte ich mich geirrt haben. »Es gibt schlimmere Dinge, die einer Frau zustoßen können«, sagte ich, aber mir fielen keine ein.
    Sie vergrub das Gesicht an meiner Schulter und schluchzte. Einen Augenblick später schubste sie mich grob weg. Ihre Augen waren voller Tränen, aber ich sah keine Traurigkeit darin, sondern wilden Grimm.
    »Du sollst mich nicht bemitleiden! Ich will das nicht!«
    Mitleid war mir gar nicht in den Sinn gekommen. Mir war ganz schlecht, so traurig und verwirrt war ich. Ihr Brief an mich hatte mir meine Hochzeit verdorben. Dass sie bei der Lesung meiner Dritter-Tag-Hochzeitsbücher nicht gekommen war, hatte mich tief getroffen. Und nun dies. In dem ganzen Aufruhr
fühlte ich mich von Schneerose betrogen. In all den Nächten, die wir gemeinsam verbracht hatten – warum hatte sie mir da nicht die Wahrheit gesagt? Lag es daran, dass sie im Grunde nicht glaubte, was für ein Schicksal ihr bevorstand? Dachte sie, weil sie im Geiste immer davonflog, es würde ihr im echten Leben auch so ergehen? Glaubte sie wahrhaftig, dass unsere Füße den Boden verlassen und unsere Herzen wirklich mit den Vögeln in die Luft steigen würden? Oder versuchte sie nur, das Gesicht zu wahren, indem sie ihre vielen Geheimnisse für sich behielt, in dem festen Glauben, dass dieser Tag niemals kommen würde?
    Vielleicht hätte ich wütend auf Schneerose sein sollen, weil sie mich angelogen hatte, aber ich empfand etwas anderes. Ich hatte geglaubt, ich sei für eine besondere Zukunft auserwählt worden, so dass ich zu ichbezogen war, um zu sehen, was direkt vor mir lag. War es nicht mein Unvermögen als Freundin – als laotong -, das mich daran gehindert hatte, Schneerose die richtigen Fragen über ihre Vergangenheit und ihre Zukunft zu stellen?
    Ich war erst siebzehn. Ich hatte die letzten zehn Jahre beinahe

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