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Seidenfächer

Titel: Seidenfächer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L See
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begegnet waren, getragen hatte.
    Ich strich über andere Sachen aus ihrer Mitgift. Hier war der
lavendelfarbene und weiße Stoff, aus dem Schneeroses Reisekleid bestanden hatte, als sie neun war. Sie hatte es neu zugeschnitten und vernäht, und so waren nun Westen und Schuhe daraus geworden. Hier war mein Lieblingsstoff aus indigoblauer und weißer Baumwolle. Sie hatte ihn in Rechtecke und Streifen geschnitten und für Jacken, Kopftücher, Gürtel und Verzierungen auf Decken verwendet. Schneeroses eigentliche Brautgeschenke waren sehr spärlich gewesen, aber mit Teilen ihrer eigenen Kleidung hatte sie eine ganz besondere Mitgift daraus gemacht.
    »Du wirst eine außergewöhnliche Ehefrau«, sagte ich, ehrlich beeindruckt von ihrer Leistung.
    Zum ersten Mal lachte Schneerose. Ihr Lachen hatte ich immer geliebt – es klang so hoch, so verführerisch. Ich lachte mit, denn dies alles war … es war jenseits von allem, was ich mir je hätte vorstellen können, jenseits von allem, was in diesem Universum gerecht war. Schneeroses Situation und was sie daraus gemacht hatte, war schrecklich und tragisch und komisch und erstaunlich zugleich.
    »Deine Sachen …«
    »Die überhaupt gar nicht meine sind, da geht es schon los«, antwortete Schneerose und schnappte nach Luft. »Meine Mutter hat ihre eigene Mitgift zerschnitten, um mir daraus Kleider für meine Besuche bei dir zu nähen. Jetzt werden sie wieder neu zugeschnitten, für meinen Mann und meine Schwiegereltern.«
    Natürlich! So musste es sein, denn jetzt erinnerte ich mich, dass ich mir damals bei einem bestimmten Muster gedacht hatte, dass es sehr vornehm für ein so junges Mädchen war, und dass ich von einer Manschette lose Fäden abgeschnitten hatte, als Schneerose gerade nicht hinsah. Ich war dümmer als ein Huhn bei Unwetter. Blut stieg mir in den Kopf. Ich schlug die Hände vors Gesicht und lachte noch mehr.

    »Glaubst du, meine Schwiegermutter merkt das?«, fragte Schneerose.
    »Also, wenn es mir nicht aufgefallen ist, dann …« Aber ich konnte gar nicht ausreden, denn es war alles einfach zu komisch.
    Vielleicht verstehen auch nur Mädchen und Frauen, was daran so lustig ist. Wir gelten als völlig wertlos. Selbst wenn unsere eigenen Familien uns lieben, sind wir eine Last für sie. Wir heiraten in neue Familien ein, gehen zu unseren Ehemännern, die wir vorher noch nie gesehen haben, schlafen als völlig Fremde mit ihnen und fügen uns den Forderungen unserer Schwiegermütter. Wenn wir Glück haben, bekommen wir Söhne und sichern uns unsere Stellung im Haus unseres Mannes. Wenn nicht, müssen wir mit dem Zorn unserer Schwiegermütter, dem Spott der Konkubinen unserer Männer und den enttäuschten Gesichtern unserer Töchter rechnen. Wir lassen unseren Charme spielen – von dem wir mit siebzehn fast noch nichts wissen -, aber darüber hinaus gibt es wenig, womit wir unser Schicksal ändern könnten. Wir sind den Launen und dem Belieben anderer ausgesetzt, und deshalb war es so außergewöhnlich, was Schneerose und ihre Mutter getan hatten. Sie hatten Stoff verwendet, den Schneeroses Familie einmal als Brautgeschenk an Schneeroses Mutter geschickt hatte, der dann in die Mitgift eines feinen Mädchens verwandelt worden war, danach in Kleidung für eine hübsche Tochter, und der nun noch einmal geändert worden war, um die Qualitäten einer jungen Frau zu beweisen, die in das Haus eines unreinen Metzgers einheiratete. All das war Frauenarbeit – eine Arbeit, die Männer für rein dekorativ halten -, aber mit ihr wurde das Leben der Frauen verändert.
    Doch es fehlte noch so vieles. Schneerose musste genügend Kleidung für ihr ganzes Leben in ihr neues Heim mitbringen. Im Moment hatte sie sehr wenig. Ich überlegte fieberhaft, was wir in dem Monat, der uns noch blieb, tun konnten.

    Als Ehrenwerte Frau Wang zu Schneeroses Monat des Sitzens und Singens im oberen Gemach kam, nahm ich sie zur Seite und bat sie, in mein Elternhaus zu fahren. »Ich brauche ein paar Sachen …«
    Diese Frau hatte mich lange genug kritisiert. Sie hatte außerdem gelogen – nicht meiner Familie gegenüber, sondern mir gegenüber. Ich hatte sie nie sonderlich gemocht, und nun war sie mir wegen ihres Doppelspiels noch weniger sympathisch, aber sie tat genau das, was ich ihr sagte. (Immerhin stand ich ja jetzt über ihr.) Einige Stunden später kam sie von meinem Elternhaus zurück, mit einem Korb mit meinen Hochzeitsklößen, ein wenig von dem aufgeschnittenen Schweinefleisch, das

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