Seidenfessel - Maeda, K: Seidenfessel
fuhr er sie an und hatte sofort die Aufmerksamkeit der beiden Engländer. „Sie hat es wahrscheinlich von Tanosuke erfahren“, gab Hi zögerlich zu.
Der Sekretär war seit einigen Tagen verschwunden, und Toshi hatte diverse Leute aufgefordert, ihn zu suchen. Im Augenblick vermuteten sie ihn am anderen Ende Japans, in Hokkaidō. „Was hat Yusuri mit Tanosuke zu schaffen?“
His Gesicht nahm einen schuldbewussten Zug an. „Wir haben ihn schon länger im Verdacht, seine Flucht hat uns nur so überrascht, dass wir ...“
„Hi!“
Sie zuckte zusammen. Ein äußerst seltener Anblick. „Yusuri wollte Informationen über Isabelle. Sie hat Tanosuke durch Geld geködert und ihn zu ihrem Spitzel gemacht. Anfangs anscheinend nur auf gut Glück, um etwas gegen dich in der Hand zu haben. Tanosuke hat noch keine Informationen über Isabelle, aber über ihren Handel mit dir gefunden und an Yusuri weitergegeben. Da wir ihm aber auf den Fersen waren, wurde es ihm zu heiß. Deshalb ist er wohl geflohen.“
„Verdammt!“ Toshi stöhnte innerlich auf. Er war so kurz vor der Vollendung seines Planes und jetzt drohte nicht nur dieser, sondern auch Isabelle in Gefahr zu sein. Aber noch wusste Yusuri nicht, warum Isabelle in Japan war. Da Tanosuke nicht mehr in der Firma herumschnüffeln konnte, bestand für ihn zumindest auch keine Chance, es herauszufinden. Aber Yusuri war nicht dumm. Sie würde es weiter versuchen. Dass sie das Clanstreffen genau auf den Ablauf des Fristmonats gesetzt hatte, war kein Zufall. Sie gab ihm deutlich zu verstehen, dass sie von dem Handel wusste, und dass mehr dahinter steckte als eine einfache Liebelei mit einer Gaijin. Yusuri wollte ihn einschüchtern.
Toshi rieb sich wieder über die Nasenwurzel. „Vernichtet die Daten über Isabelle. Tanosukes Verschwinden verschafft uns ein wenig Zeit. Vielleicht haben wir Glück, aber ich will mich nicht darauf verlassen. Ihr beiden behaltet jeden im Auge, der mit ihr in Kontakt kommt. Beim kleinsten Verdacht benachrichtigt ihr mich.“
Hi und Tsuki nickten. Er wusste, dass sie seine Anweisungen gut ausführen würden, aber es war, wie er gesagt hatte. Ihnen blieb nur ein kleines Zeitpolster, bis der nächste Versuch Yusuris, Toshi irgendwie beeinflussen zu können, erfolgen würde. Bis dahin musste der Yakuza das Chaos in sich zur Ruhe bringen. Ab jetzt durften keine Fehler mehr passieren.
Isabelle öffnete die Tür zum Appartement. Entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit hatte sie sich von Kyo überreden lassen, mit ihm und Tomo einige Bars in Kabukichō zu besuchen. Tomo, in ihrer fröhlich-lauten Art, hatte sie zum Schluss sogar in eine Karaoke-Bar gezerrt. Nicht in eine, in der man in einer kleinen Kabine mit Freunden saß und hemmungslos falsch ins Mikro sang, sondern in die Sorte, in der man sich auf einer Bühne vor den ebenso betrunkenen Gästen blamierte.
Tomo hatte gesungen, ebenso wie Kyo, und zu guter Letzt hatten beide Isabelle überredet, mit ihnen ein Duett zu singen. Isabelle war zu diesem Zeitpunkt schon stark angetrunken vom Sake und Martini gewesen und hatte wie die beiden anderen lachend den Text mitgesungen. Oder besser geschmettert. Es war ein japanischer Schlager gewesen, den Isabelle nicht kannte, aber das hatte sie nicht daran gehindert, ungehemmt und ebenso laut wie die beiden anderen mit einzustimmen. Als sie jetzt ins Wohnzimmer wankte, fühlte sie sich gelöst wie lange nicht mehr. Sie summte die Zeilen des Liedes noch nach, als sie die Gestalt am Fenster bemerkte. Es war dunkel, und Isabelle fand nicht auf Anhieb den Lichtschalter. Die Gestalt bewegte sich. „Guten Abend, Isabelle“, begrüßte sie Toshis Stimme. Der leichte Dunst von Alkohol verflog und Isabelle spürte, wie ihre Sinne augenblicklich geschärft wurden. Diesen Moment hatte sie gleichzeitig herbeigesehnt und fortgewünscht. Aber jetzt war er da.
„Komm zu mir, Isabelle“, lud Toshis Stimme sie warm ein. Es war noch immer dunkel im Appartement – nur der Schein von draußen hüllte das Zimmer in ein flüchtiges Zwielicht. Der Alkohol und die angenehme Geborgenheit des Halbdunkels ließen Isabelle Toshis Bitte ohne Zögern nachkommen. Sie trat neben ihn und sah wie er hinaus. „Ich genieße den Anblick immer wieder“, raunte er, und Isabelle nickte. „Ja, ich au ...“ Sie hatte ihm den Kopf zugewandt, als sie das sagte und bemerkte erst jetzt, dass er gar nicht auf den Verkehr unter ihnen, sondern in ihr Gesicht geblickt hatte.
„Warum bist du hier,
Weitere Kostenlose Bücher