Seidenmagd
man Mahlzeiten, auch für eine Gesellschaft, zubereitet, wie man die Wäsche zu behandeln hat, wenn sie weiß, wie viel Mühe es macht, ein Kleid zu nähen.«
»Warum sollte sie das wissen, wenn es doch Personal dafür gibt?«, fragte Quantz verwundert. »Meine Frau kann sticken, aber sicherlich kein Kleid nähen.«
»Dann weiß sie nicht, wie viel Arbeit es macht, und kann das Kleid womöglich gar nicht so zu schätzen wissen.«
»Aber«, wandte Quantz ein, »jemand der näht, kann sich kaum mit schöngeistigen Dingen befassen. Auch eine Köchin oder Magd kann das nicht.«
»Ja, das ist die Frage, die ich mir stelle. Liegt es an der nicht vorhandenen Zeit?«
»Nein, Personal ist von schlichtem Gemüt, sie könnten mit Bildung und Musik wenig anfangen.«
»Ist das so, Monsieur?«, fragte Frieder und klang neugierig. »Oder meinen wir das nur? Seht, die Mädchen unserer Gemeinde haben eine gewisse rudimentäre Bildung. Sie können lesen und schreiben, etwas rechnen. Latein, kaum Englisch oder Italienisch, aber Niederländisch, Französisch und Deutsch. Musik und schöne Künste kennen sie fast gar nicht.«
»Keine Musik?« Quantz klang entsetzt.
»Musik ist nicht gottesfürchtig, sondern eitel. So sagt es unsere Gemeindeordnung und unser Glauben.«
»Ihr seid Mennonit und liebt Musik, Ihr wollt die Flöte spielen können – wie passt das zusammen?«
»Nun, ich gehöre zu der neuen Generation in der Gemeinde. Man wird sich verändern müssen. Und da kommt auch die Kammerzofe ins Spiel. Sie ist die Tochter einer guten, schlichten und leider verarmten Familie meiner Gemeinde. Der Vater verstarb früh, die Mutter musste Näharbeiten annehmen, um die Familie zu ernähren.«
»Es gibt so schlimme Schicksale.« Quantz klang bekümmert. Oder war das Ironie, und er war gar belustigt? Ohne die Gesichter zu sehen, konnte Catharina das nicht beurteilen und ärgerte sich darüber.
»Die Mutter ist durchaus geschickt mit Nadel und Faden, auch wenn sie ansonsten eher verhärmt wirkt. Die Töchter aber sind aufgeweckt und interessiert. Gerade Catharina, meine Zofe, ist wissbegierig, neugierig, offen für alles.«
»Auch für Musik?«
Frieder lachte laut und schallend. »Ja, ich glaube, Musik hat es ihr angetan. Auch wenn sie es nicht zugeben will. Ich war mit ihr im Oratorium von Händel.«
»Dem Messias?«
»Ja, wundervolle, ergreifende Musik. Aber unsere Gemeinde lehnt Kirchenmusik ab – bis auf die alten, getragenen Psalmen.«
»Ach herrje. Ich dachte, der Psalmenstreit sei vor zwanzig Jahren schon beigelegt worden.« Quantz holte hörbar Luft. Er schien sich noch ein weiters Glas Wein einzuschenken, Catharina hörte Glas auf Glas klirren.
»Nicht in den puritanischen Hochburgen. Auch in denprotestantischen Niederlanden hält man noch an den alten Sitten fest.«
»Unglaublich. Diese Menschen wissen nicht, was Koloraturen sind, und können sie nicht genießen.«
»Ja.« Frieder klang zufrieden. »Catharina aber, die Tochter einer treuen Gemeindeschwester, fand den Messias beeindruckend. Dann habe ich sie in eine Opera Buffa geführt.«
Catharina konnte hören, dass er grinste, und biss sich auf die Lippe.
»Opera Buffa? Um Himmels willen – Ihr habt wahrscheinlich damit alle Grenzen überschritten.« Quantz wirkte belustigt.
»Piccinni.«
»Auch das noch. Nicht etwa mit Kastraten?«
»Doch.«
»Nun, sie scheint es überlebt zu haben. Aber warum tut Ihr das? Ihr nehmt Eure Magd mit in die Opera, in Konzerte? Warum bloß?«
»Sie ist unverdorben und rein, kennt kaum Musik bis auf wenige Kirchenlieder. Sie hat einiges gelesen, aber keine Philosophen, keine Literatur und keine wahre Lyrik. All diese Welten öffne ich nun für sie und möchte ihre Reaktion sehen, ihre Eindrücke. Es ist bemerkenswert, wie sie urteilt. Sie ist unvoreingenommen, bewertet die Stimmen nicht nach den Namen der Sänger, weil sie diese noch nie gehört hat, sondern wirklich nach dem Gesang.«
»Ach.« Quantz klang nachdenklich. »Eine Art Orakel also. Ja, das hat etwas für sich. Aber, guter Freund, diese Frau ist bildschön, sie teilt doch sicherlich das Bett mit Euch?«
Catharina fühlte sich wie mit kochendem Wasser übergossen, als sie diese Frage hörte. Abrupt drehte sie sich um undging in die Küche. Dort saß Gerald und stopfte sich seine alte Pfeife.
»Ich habe Kaninchen mitgebracht, schon abgezogen und ausgenommen.« Er deutete auf den Tisch. Dann schaute er sie an. »Habt Ihr einen Geist gesehen, oder ist Euch
Weitere Kostenlose Bücher