Seidenmagd
viel komfortabler lebte als zuvor, vermisste sie doch ihre Schwestern und ihre Mutter, die Freunde und Bekannten. In Potsdam gab es keine mennonitische Gemeinde, und zu den Nachbarn hatte sie bisher wenig Kontakt aufgebaut, glaubte sie doch, nur wenige Wochen in der Stadt verbleiben zu müssen.
Ihre Mutter, fiel ihr ein, sollte wissen, dass Michel noch lebte und es ihm offensichtlich gut ging. Falls es wirklich Michel war, das musste sie erst noch herausfinden, bevor sie es erwähnte. Catharina stand auf und ging in die Stube. Sie setzte sich an den Sekretär, nahm Papier, Feder und das Tintenfass und schrieb einen Brief an ihre Mutter. Danach nahm sie einen weiteren Bogen und schrieb an ihre Freundin Anna.
Anna müsste nun niedergekommen sein, dachte sie. Hoffentlich ist alles gut gegangen. Schmerzlich wurde ihr bewusst, wie weit sie von der Heimat entfernt war. Sie streute etwas Sand auf die Bögen, wartete, bis die Tinte getrocknet war, faltete sie dann zusammen und versiegelte sie. Die Postkutsche würde auch zwei Wochen brauchen, bis sie am Niederrhein war, wenn Anna oder ihre Mutter eine Antwort schrieben, wären sie vermutlich schon unterwegs in die Heimat. Trotzdem wollte sie ein Lebenszeichen schicken.
»Würdet Ihr diese Briefe aufgeben, bitte?«, fragte Catharina Gerald.
»Natürlich. Habt Ihr Eurer Mutter geschrieben, dass Ihr Euren Bruder gesehen habt?« Gerald zog die Augenbrauen fragend hoch.
Catharina schüttelte den Kopf. »Nein. Das mache ichnicht, bevor ich nicht mit ihm gesprochen habe. Vielleicht«, fügte sie leise hinzu, »möchte er ja keinen Kontakt mehr zur Familie.«
»Ach Unsinn. Der Junge ist bestimmt nur unsicher«, sagte Thea und stellte den Topf mit dem Würzwein auf den Herd. »Er wird sich aber verändert haben.« Sie warf Catharina einen Blick über sie Schulter zu. »Das muss dir klar sein.«
»Ja.« Catharina biss sich auf die Lippen. »Das macht mir Sorge.«
Endlich hörte sie Rumoren aus der ersten Etage, Frieder war aufgestanden. Er kam nicht in die Küche, sondern ging sofort in den Salon. Catharina sah Thea überrascht an, doch die alte Magd winkte ab.
»Mach dir keine Gedanken, Kindchen. Er wird Kopfschmerzen und schlechte Laune haben. Lass mich das machen.« Sie ging in den Vorratsraum, nahm in Salzlake eingelegte Heringe aus dem Fass und richtete sie zusammen mit Zwiebeln, Brot, Gänseschmalz, Salz und einem Stück kalten Braten auf einer Platte an. »Grütze wird er nicht essen wollen«, sagte sie und lächelte wissend, so dass man ihre beiden Zähne sah. Nachdem sie einen kleinen Krug Branntwein und einen großen Krug mit Dünnbier gefüllt hatte, trug sie das Tablett in den Salon. Catharina hatte die Post und die beiden Zeitungen, die am Morgen gekommen waren, schon auf das Tischchen gelegt.
»Er scheint indisponiert zu sein.« Thea lachte leise. »Das kommt davon, wenn man zu spät zu Bett geht und zuviel trinkt. Ansprechen sollte man ihn nicht.« Sie schaute Catharina an und hob beide Hände. »Gib ihm Zeit.«
»Hat er sich nicht gewundert, dass du ihm das Frühstück gebracht hast und nicht ich?«
Thea schien einen Moment zu überlegen. »Nein, er hat die Zeitung gelesen und gar nicht aufgeschaut, als ich das Tablett hingestellt habe.«
Da sie keinen Garten bestellten, im Hof weder Kräuter noch Gemüse angebauten, keine Hühner hielten und auch die Pferde nicht versorgten, hatten sie die Hausarbeit schnell getan. Mittags gab es oft nichts mehr zu tun. Nur wenige Möbel waren abzustauben, nur wenig Wäsche zu waschen. Sie kochten das Essen aus Nahrungsmitteln, die sie kauften. Noch nie hatte Catharina ein so leichtes Leben geführt, noch nie hatte sie sich so gelangweilt. Sie las Bücher, und das erfüllte sie, doch müde machte sie es nicht.
Auch Gerald schien sich zu langweilen. Jeden Tag ging er durch die Stadt bis zu dem Zinsstall, nur um nach den Pferden zu sehen. Auch an diesem Tag machte er sich auf.
»Darf ich Euch begleiten?«, fragte Catharina.
»Aber natürlich.«
Schweigend und nachdenklich ging sie neben ihm her.
»Euer Bruder geht Euch nicht aus dem Kopf, nicht wahr?« Gerald lächelte.
»In der Tat. Ich muss ständig daran denken, wie er auf diesem großen Planwagen saß. Er sah so ernst aus.« Sie seufzte. »Ob ich ihn wohl ausfindig machen kann?«
»Das waren schwere Reiter, derer gibt es nicht so viele in des Königs Armee.«
»Schwere Reiter?« Catharina sah ihn fragend an.
»Ja, Kürassiere.«
Sie schüttelte verständnislos
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