Seidenmagd
entspricht nicht unserem Glauben.«
»Das ist richtig, aber dennoch sollte er seine Familien nicht im Ungewissen lassen, was sein Schicksal angeht. Eure Mutter grämt sich sicherlich.«
»Vielleicht schämt er sich?« Catharina seufzte.
»Seid Ihr Euch sicher, dass der Kutscher Euer Bruder ist? Schließlich konntet Ihr nur einen kurzen Blick auf ihn werfen.«
»Es ist mein Bruder«, sagte Catharina entrüstet. »Ich würde ihn immer erkennen, selbst in Uniform.«
»Man könnte beim Regiment nachfragen und herausfinden, ob er es wirklich ist und in welcher Eskadron er dient.« Gerald schien zu zweifeln. »Würde Euch das beruhigen?«
Catharina nickte eifrig. Den ganzen Weg über konnte sie an nichts anderes denken. Ob es eine Möglichkeit gab, mit Michel in Kontakt zu treten? Würde er sich sehr verändert haben? Immerhin lebte er noch, dachte sie und spürte, dass ihr Herz vor Aufregung schneller pochte.
Als sie zurückkamen, hatte Monsieur Quantz das Haus wieder verlassen, stellte sie erleichtert fest. Frieder saß in der Stube und las in einer Depesche. Sie brachte ihm etwas Würzwein. Frieder murmelte einen Dank, beachtete sieaber nicht weiter, deshalb traute sie sich nicht, ihn anzusprechen.
An diesem Abend legte Frieder seine gute Kleidung an und verließ das Haus, er kehrte erst in den frühen Morgenstunden zurück.
»Monsieur ruht noch.« Catharina seufzte. Sie war nun das dritte Mal zur Stiege gegangen und hatte nach oben gelauscht, doch noch war nichts zu hören.
»Er wird schon noch aufstehen«, sagte Thea beruhigend. »Du hast deinen Bruder jetzt seit Jahren nicht gesehen, da wird es auf ein paar Tage mehr oder weniger nicht ankommen.«
»Außerdem ist der Train ausgerückt, wer weiß, wo sie hin sind«, fügte Gerald hinzu. »Und wann sie zurückkommen.«
»Ihr habt ja recht. Dennoch möchte ich Monsieur fragen, ob er mir hilft, Kontakt zu Michel aufzunehmen.« Catharina setzte sich auf die Küchenbank.
»Mir scheint, als sei seine Neigung zu dir ein wenig abgekühlt in den letzten Tagen«, sagte Thea leise und legte den Kopf schief.
Catharina schoss das Blut in die Wangen. Seit sie die Unterredung zwischen Quantz und Frieder belauscht hatte, hatte sie kaum Zeit mit Frieder verbracht. Immer noch ärgerte sie sich darüber, nicht wenigstens auch noch seine Antwort abgewartet zu haben. Aber auch er schien ihr gegenüber distanzierter zu sein. Hatte ihn Quantz Frage nachdenklich gemacht? Sie wusste es nicht, wusste auch nicht, wie sie ihn einschätzen sollte. Er hatte noch nie versucht, sich ihr unschicklich zu nähern.
Vielleicht findet er mich gar nicht anziehend, fragte sie sich. Oder er sieht mich nur als Objekt und nicht als Frau.Beide Gedanken schmerzten, auch wenn sie nicht in seinem Bett landen wollte. Was wollte sie überhaupt? Sie war weder Fisch noch Fleisch, keine reine Magd oder Zofe, aber auch keine Frau seines Standes.
»Monsieur ist beschäftigt. Ich habe gehört, dass die Friedensverhandlungen gescheitert sein sollen.« Gerald verzog das Gesicht, plötzlich wirkte er besorgt. »Ich denke, wir werden bald wieder aufbrechen und nach Krefeld zurückfahren.«
»Was hat der Krieg mit seiner Stimmung zu tun?«, wollte Catharina wissen.
»Nun, der König will den von der Leyen das Monopol auf das Seidenweben erteilen. Wenn aber Preußen den Krieg verliert, sind weder Titel noch Rechte weiterhin wirksam. Dann werden die Karten neu gemischt. Wer weiß, wie unser Leben in einem anderen Staat, unter anderen Herrschern wäre.«
»So weit wird es doch nicht kommen«, sagte Catharina erschrocken.
Gerald zuckte mit den Schultern. »Alle Hoffnungen lagen auf den Friedensverhandlungen. Es heiß, dass sich Frankreich und Spanien verbünden würden. Außerdem marschieren feindliche Truppen angeblich in den Norden, Richtung Bremen. Die Lage ist sehr unsicher und instabil.« Er stopfte seine Pfeife. »Aber auch das Jahr schreitet voran. Wir müssen vor dem Winter aufbrechen, ansonsten kommen wir nicht nach Krefeld. Nicht mit der Kutsche.«
»Es ist August, der Herbst ist noch fern«, meinte Thea.
»Manchmal geht das sehr schnell, und wir sind einige Wochen unterwegs. Es liegt schon der Geruch von gefallenem Laub in der Luft.«
»Was passiert, wenn wir nicht rechtzeitig aufbrechen?«, fragte Catharina leise.
»Dann müssen wir den Winter über hierbleiben.«
Catharina holte tief Luft. Obwohl sie sich gut mit Thea und Gerald verstand, sich inzwischen auch in Potsdam ein wenig auskannte,
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