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Seidenmagd

Seidenmagd

Titel: Seidenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: U Renk
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wusste sie nicht recht, was sie über sein Verhalten denken sollte. Hätte er Thea wirklich kaltherzig alleine bei fremden Leuten gelassen? Sie fürchtete es, und der Gedanke stimmte sie nicht froh. War Frieder tatsächlich so herzlos?
    Die Betten waren nicht frisch bezogen, doch diesmal machte es Catharina nichts aus. Die Müdigkeit war in ihre Knochen gekrochen und machte sich dort breit. Sie wusch sich flüchtig, schlüpfte in das Bett und wartete darauf, dass ihr Bruder kam.
    Auch Thea hatte sich bettfertig gemacht, stand nun im Raum und sah sich um. Es gab nur zwei Lager. Catharina hob die Decke an und rückte zur Wand. Thea schüttelte den Kopf.
    »Zier dich nicht!« Catharina lachte. »Michel wird kaum ein weiteres Bettgestell bekommen, also musst du bei mir schlafen. Nun komm schon.«
    Thea seufzte, fügte sich aber dann. Sie wirkte knochiger und kleiner als zuvor, als hätte ihr der Tag alle Kraft geraubt.
    »Ich hatte es mir nicht so vorgestellt«, wisperte Catharina.
    »Was?« Thea drehte sich zu ihr um.
    »Kinder bekommen. Schreie, Blut und Schmerzen, ja, das wusste ich, aber nicht, wie es wirklich ist.«
    »Wie es wirklich ist, weißt du erst, wenn du ein Kind geboren hast«
    »Hast du?«, fragte Catharina leise.
    »Ja«, hauchte Thea. »Es ist lange her, aber ich habe ein Kind geboren.«
    »Was ist passiert?«
    Thea schnaufte. »Ein hoher Herr hatte Gefallen an mir gefunden und mir den Kopf verdreht. Ich habe seinen dummen Versprechungen geglaubt und mich ihm hingegeben. Aber nichts von dem, was er mir versprochen hat, wurde wahr. Er heiratete eine andere, eine Frau seines Standes.« Sie atmete tief ein. »Ich habe ihn geliebt, aber er mich nicht.«
    »Du hast ihn geliebt.« Catharina kaute auf ihrer Lippe. »Woher hast du gewusst, dass du ihn liebst?«
    »Ich wusste es einfach. Es war ein Gefühl, so klar wie Quellwasser, so rein wie Schnee. Da gab es nichts zu deuteln. Nie zuvor und nie mehr danach habe ich wirklich geliebt. Es gab Tändeleien und Liebschaften, aber keine reine und wahre Liebe. Ich schlief mit dem Gedanken an ihn ein, wachte mit ihm auf. Es war einzigartig. Man weiß, wenn man jemanden liebt. Man würde alles für ihn tun. Alles.«
    »Und du hast sein Kind bekommen?«, fragte Catharina leise.
    »Ja. Ich habe es ausgetragen und dann ...«, sie schluckte, »dann habe ich es ihm und seiner unfruchtbaren Frau gegeben. Dort wuchs er auf.« Thea schloss die Augen, dennoch drängten sich die Tränen unter ihren Lidern hervor und benetzten die faltige Haut.
    »Liebe ich ihn?«, fragte sich Catharina. Sie merkte erst, dass sie ihren Gedanken laut ausgesprochen hatte, als Thea sich rührte.
    »Von der Leyen? Ob du von der Leyen liebst? Das fragst du dich wirklich?« Theas Stimme klang verächtlich.
    »Ja.«
    »Nein, du liebst ihn nicht. Und er dich auch nicht.«
    »Woher ...?«, fragte Catharina, doch dann öffnete sich die Tür, und Catharina hielt erschrocken die Luft an.
    »Käthe?«, fragte Michel leise und hielt die Kerze hoch. »Bist du hier?«
    »Ja. Komm herein.«
    »Der Wirt lauert auf dem Gang unten.« Michel schüttelte sich. Dann sah er Thea. »Ach, du schläfst auch hier?«
    Thea zuckte wie getroffen zusammen.
    »Gut so«, sagte Michel und schlug die Decke zu seinem Lager auf. »Dann brauche ich kein Ohr zum Gang und zum anderen Zimmer zu richten, sondern habe euch beide hier unter meinem Schutz.« Er legte sich nieder, zog die Decke bis zu den Ohren und schnarchte schon bald.
    »Soldaten«, sagte Thea. »Die lernen es, überall zu schlafen.«
    »Wir sollten auch versuchen, ein wenig Ruhe zu finden«, wisperte Catharina.
    Doch die Erinnerung an die Erlebnisse des Tages ließen sie nicht los. Immer wieder hatte sie das Schlafgemach auf dem Vierkanthof vor Augen. Und dann die Gedanken an Frieder. Sein kühles Verhalten, die Entscheidung, Thea zurückzulassen, hatte sie entsetzt. Wie konnte er nur so herzlos agieren? Er war doch sonst immer ein warmherziger, freundlicher Mann gewesen, wohlwollend zu seiner Dienerschaft. War es nur die Sorge um die Fahrt, die ihn zu diesem harten Verhalten brachte, oder hatte sie sich so in ihm getäuscht?
    Sie schlief seit Wochen mit dem Gedanken an ihn ein, wachte damit auf, er erfüllte ihre Gedanken. Ja, dachte sie, ich liebe ihn. Doch Thea zweifelte daran. Wieso? Wie konnte sich Thea so sicher sein, dass sie ihn nicht liebte und er sie auch nicht? Thea hatte Ähnliches erlebt und war enttäuscht worden. Vielleicht wollte sie Catharina nur vor so

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