Seidenmagd
sind empört.«
»Wir alle werden uns verändern müssen, Abraham. Dashatte schon mein seliger Onkel festgestellt. Wir können nicht in den alten Sitten und Gebräuchen verharren, auch wenn wir das wollen.«
»Aber, Anna, würdest du dich so kleiden wie Käthe? Oder wie Madame von der Leyen? Würdest du prunkvoll und verschwenderisch leben wollen?«
Anna schüttelte den Kopf. »Nein, das wohl nicht. Doch dieser Krieg wird die ganze Welt verändern. Werte, die einst Bestand hatten, scheinen zu verschwinden, und andere Dinge werden wichtig. Vielleicht, weil ein Krieg so dreckig und blutig ist, so viel Kummer und Leid mit sich bringt, vielleicht sind die Menschen deshalb nun darauf bedacht, sich zu schmücken und zu präsentieren. Man hört die wunderlichsten Dinge von den Adelshäusern.«
»Ja, durchaus.« Nachdenklich strich Abraham über seinen Bart. »Wir wollen nur hoffen, dass diese Äußerlichkeiten nicht zu wichtig werden.«
Der Prinz von Comdé, der Kommandeur der Truppen am Niederrhein, befahl Anfang April, dass sich die Regimenter marschbereit machen sollten. Doch Ostern kam, und noch immer gab es keine Wende.
»Mich haben private Briefe erreicht«, sagte Engelbert vom Bruck eines Mittwochabends Ende April, »dass der Frieden zwischen Preußen und Russland als gesichert gilt.«
»Man spricht von einer Bewegung der verbündeten Truppen Preußens.« Peter Lobach stopfte seine Pfeife.
»Gestern Morgen gegen drei haben die Franzosen zum Generalmarsch geschlagen. Sie haben im Laufe des Tages den Rhein bei Düsseldorf überquert. Auch unser Gast Monsieur Villefranche ist aufgebrochen«, sagte Abraham und schenkteseien Freunden Wein ein. »Ein edler Tropfen aus der Pfalz«, erklärte er.
»Zwei Bataillone des Regiments sollen schon marschiert sein«, fügte Peter hinzu und nahm das Glas entgegen. »Hoffentlich sind sie alle bald weg.«
Doch die Hoffnung hielt nicht lange an. Nur eine Woche später kehrten die französischen Truppen an den Niederrhein zurück.
»Schweden soll einen Waffenstillstand mit Preußen geschlossen habe«, sagte Catharina und schnitt das Brot auf. Sie besuchte ihre Freundin Anna.
»Wisst Ihr das sicher?«, fragte Anna. »Abraham sagte nichts davon.«
»Monsieur von der Leyen hat es heute Morgen berichtet, er hat zuverlässige Quellen.« Catharina lächelte.
Sie schien Anna wieder zuversichtlicher und ausgeglichener zu sein.
»Vielleicht haben wir bald einen Frieden.«
»Sagt das Monsieur?«, fragte Anna nachdenklich. »Immer wieder wird berichtet, dass der Frieden nicht weit sei, doch dann kommt es wieder zu neuen Kämpfen.«
»Wir reden nicht oft über Politik.«
Anna schaute sie überrascht an. »Aber Ihr unterhaltet Euch mit Eurem Herrn?«
»O ja, wir reden über Bücher und Musik. Erst letzte Woche hat er mich mit nach Düsseldorf genommen, da wurde eine Messe von Bach aufgeführt. Ganz wunderbare Musik.«
»Er nimmt Euch mit?« Anna schüttelte den Kopf.
»Durchaus.«
»Und welche Pflichten habt Ihr ansonsten?«
»Ich kümmere mich um seine Kleidung, helfe Mamsell hinund wieder.« Catharina senkte den Kopf. Sie schien nicht über ihre Arbeit reden zu wollen.
»Was macht die kleine Annegrijt?«, fragte Catharina.
»Elise entwöhnt sie jetzt. Sie wächst, aber nicht zu unserer Zufriedenheit.« Anna runzelte die Stirn. »Auch fiebert sie oft.«
»Ja, das Fieber geht um in der Stadt. Auch Moers und Duisburg sollen betroffen sein, habe ich gehört. Viele Menschen sind gestorben.«
»Dies Frühjahr ist zu warm und zu trocken. Der Buchweizen wächst schlecht, und das Getreide droht zu verdorren.« Anna seufzte. »Durch die schwüle Hitze scheinen sich die Krankheiten zu verbreiten. Unser Quartiergast liegt gleichfalls wieder danieder. Dabei muss er nächste Woche dem Gericht vorstehen.«
»Ich habe davon munkeln gehört, es sollen viele Soldaten verurteilt werden.« Catharina bis sich auf die Lippe. »Wisst Ihr mehr darüber?«
»Monsieur Villefranche berichtete, dass es etwa achtzig Fahnenflüchtige in den letzten Wochen gab. Vier von ihnen wurden gefasst. Nun wird Gericht über sie gehalten, stellvertretend für alle, die desertiert sind.«
»Werden alle vier mit dem Tode bestraft?«, fragte Catharina leise.
»Nein, soviel ich weiß, nicht. Einer wird hingerichtet werden, das Los soll entscheiden. Die anderen werden ihr ganzes Leben zu den Galeeren verurteilt.« Anna schüttelte wieder den Kopf. »Da weiß man nicht, was schlimmer ist. Ein schneller Tod oder ein
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