Seidenmagd
Stufe knarrten, und deshalb vermied sie diese Stufen. Behutsam öffnete sie die Tür zu dem kleinen Zimmer, das sie sich mit ihrer Schwester teilte. Durch den Kaminzug war das Zimmer anheimelnd warm geworden. Catharina goss das Wasser aus dem Krug in die Schüssel, die auf der Kommode stand. Dann zog sie sich das schlichte Kleid aus, das sie am Morgen übergezogen hatte. Catharina besaß vier Kleider. Ein dünnes Sommerkleid, zwei einfache aus derbem Stoff für jeden Tag und das gute Wollkleid, das sie gestern ausgebürstet hatte. Das Wollkleid durfte sie gewöhnlich nur an Sonn- und Feiertagen anziehen, es war fein, aber schlicht gearbeitet.
Henrike hatte eine Spiegelscherbe an der Wand befestigt, sehr zum Missfallen der Mutter.
»Was braucht ihr einen Spiegel? Er verleitet nur zur Eitelkeit, und das ist nicht gottgefällig«, hatte sie gesagt, dennoch hatte sie den Mädchen die Scherbe gelassen.
Für Mennoniten war Eitelkeit eine Sünde und nicht gottgefällig.
Wir sind nicht wirklich eitel, dachte Catharina, während sie versuchte, einen Blick von sich zu erhaschen, es ist doch nur eine kleine Scherbe und kein prunkvoller Spiegel.
Ein Stück Seife lag neben der Waschschüssel. Catharina nahm es in die Hand. Vermutlich müssen wir erst wieder Seife sieden, bevor wir die große Wäsche angehen können. Sie seufzte. Es gab immer etwas im Haushalt zu tun, eine Tätigkeit zog die nächste nach sich.
Ihre Mutter mengte Kräuter unter die Lauge und verlieh der Seife dadurch einen wunderbaren Duft. Wir haben nochgetrockneten Lavendel, fiel Catharina ein, und auch noch ein paar Zweige Rosmarin.
Sie schnupperte an dem Stück in ihrer Hand, die Seife roch leicht herb, aber nicht unangenehm, ein wenig nach Kamille vielleicht. Doch an die Düfte bei den von der Leyen kam sie nicht heran. Sie benutzen bestimmt sündhaft teures Parfüm, sagte Catharina sich, etwas, was ihre Mutter niemals erlauben und was auch in der Gemeinde auf Missfallen stoßen würde.
Sie tauchte die Seife in das inzwischen nur noch lauwarme Wasser, rieb, bis es schäumte, und wusch sich langsam und sorgfältig. Dabei war sie gar nicht schmutzig. Von klein auf hatte die Mutter ihnen beigebracht, sich jeden Abend zu waschen. Im Winter wurde daraus eher eine flüchtige Katzenwäsche, denn warmes Wasser durften sie nicht mit aus der Küche hochnehmen. Einmal in der Woche wurde die Leibwäsche gewaschen, meist samstags, und danach durften die Mädchen in das seifige Wasser im großen Zuber. Im Sommer war das sehr angenehm, aber jetzt im Winter kühlte das Wasser im Zuber schnell ab, auch wenn es zu Anfang kochend gewesen war.
Catharina trocknete sich sorgfältig ab, löste den Haarknoten. Wie ein Wasserfall ergoss sich ihr langes blondes Haar über die Schultern. Sie kämmte die Haare, flocht sie zu einem festen Zopf, dann zog sie das gute Kleid aus dunkler Wolle an, steckte die Haare im Nacken fest und bedeckte sie mit der Haube. Sie konnte nur wenig in der kleinen Spiegelscherbe erkennen, drehte und wendete sich, um möglichst viele Details auszumachen. Die Haube saß, ihre blauen Augen blickten klar, das Kleid war ordentlich geschlossen. Zu gerne hätte sie ein wenig Spitze an den Ärmeln gehabt oder einen etwas tieferen Ausschnitt, beides Dinge, die ihre Mutter nicht billigte.
»Schlicht sollst du dich kleiden, gottesfürchtig und mäßig. Eitelkeit ist nicht ehrerbietig«, sagte Esther tadelnd. Dabei wären ein paar Änderungen schnell gemacht und würden ausgezeichnet aussehen. Doch gegen ihre Mutter kam sie nicht an, und sie suchte auch keinen Streit.
»Käthe?«, scholl nun durch das kleine Haus. »Wo bist du?«
»Ich ... hier ...«, stammelte Catharina. Hatte es etwa an der Haustür geklopft, und sie hatte es nicht gehört? War der Knecht der von der Leyen schon da? Vorsichtig goss sie das nun seifige Waschwasser zurück in den Krug, um es später in den Hof zu schütten. Sie achtete darauf, dass kein Tropfen ihr gutes Kleid beschmutzte, ging dann die steile Stiege hinab. Der Kater hatte, auf dem Bett liegend, ihr Treiben verfolgt und kam ihr nun hinterher. Er rannte an ihr vorbei, um ja nur als Erster in der Küche zu sein, und hätte sie beinahe zu Fall gebracht.
»Mistvieh!«
»Käthe! Du sollst nicht fluchen!« Ihre Mutter stand am Fuß der Treppe und schaute ihr entsetzt entgegen. »Was hast du da oben überhaupt getrieben? Das Brot wäre fast verbrannt, und die Wurzeln haben angesetzt.«
»Ich ... ich ...«, stammelte Catharina und
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