Seidenmagd
sehr aufgeregt. Ihr gutes Kleid hatte sie zwei Mal ausgebürstet, es dann schließlich über kochendes Wasser gehängt. Nun lag es ordentlich zusammengefaltet auf dem Stuhl neben dem Bett. Kaspar, der Hauskater, schlich sich wie sooft in kalten Nächten in das Zimmer der Mädchen. Im letzten Moment konnte Catharina ihn davon abhalten, auf den Stuhl zu springen und sich auf dem Kleid zusammenzurollen.
»Nichts da«, sagte sie und nahm ihn hoch. Kaspar schnurrte laut. Seit sie einen Teil der Haushaltsführung übernommen hatte, hing er an ihr, was daran liegen mochte, dass immer wieder kleine Häppchen und Leckereien für ihn abfielen. Der Kater schmiegte sich an sie. Als Catharina unter die Decke schlüpfte, rollte er sich neben ihr zusammen. Immer wieder schüttelte sie ihr Kissen auf, rückte die Decke zurecht.
»Nun komm endlich zur Ruhe«, sagte Henrike lachend.
»Aber vielleicht sehe ich morgen Friedrich von der Leyen wieder«, wisperte Catharina.
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass du ihn wiedersiehst.«
»Und das ist so aufregend.« Catharina bekam fast einen Schluckauf.
Ihre Schwester schüttelte es vor Lachen. »Was ist daran aufregend?«
»Du verstehst das nicht. Es ist alles so anders dort, so tres chic. Es riecht sogar anders.«
»Naturellement. Bei den Flohs ist auch alles viel vornehmer als bei uns.« Mit einem kleinen Lächeln lehnte sich Henrikezurück in die Kissen. »Viel besser ist es dort – angefangen beim Essen bis hin zu den dicken Decken in den Betten.«
Catharina riss die Augen auf. »Woher weißt du das?«
Wieder lachte Henrike. Sie sah aus wie der Kater, wenn er von der Sahne genascht hatte. »Ich helfe manchmal beim Bettenmachen, was hast du denn gedacht?«
»Oh.«
»Du solltest aber nun versuchen, etwas Schlaf zu bekommen. Sonst werden die von der Leyen ganz erschrocken sein ob deiner bleichen Gesichtsfarbe, und auch das Nähen wird dir nicht gelingen.«
Catharina blies die Kerze aus und kuschelte sich unter die Decke. Doch der Schlaf wollte nicht kommen. Ihr Herz pochte, und das Blut rauschte in ihren Ohren. Immer wieder sah sie Friedrich vor sich, wie er sie galant zur Tür geleitet hatte, mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen.
Oder war das Lächeln gar nicht freundlich gewesen? Hatte er sich insgeheim über sie lustig gemacht? War sie in seinen Augen vielleicht nur ein tumbes Mädchen, die Tochter der Näherin?
Nein, so war er nicht, dachte sie, und mit einem Lächeln auf den Lippen schlief sie endlich ein.
Kapitel 4
Am nächsten Morgen war Catharina schon früh wach. Sie überlegte, ob sie das Kleid ein weiteres Mal ausbürsten sollte, doch die Zeit drängte. Zwar sollten sie erst im Laufe des Tages zu den von der Leyen kommen, bis dahin aber musste sie den Haushalt erledigt haben.
Nach wenigen Bissen stand Henrike vom Frühmahl auf. Sie zwinkerte ihrer Schwester zu. »Möge es ein erfolgreicher Tag für dich werden«, wisperte sie, bevor sie sich zum Bürgermeisterhaus aufmachte.
»Was müsst ihr immer flüstern?«, tadelte Esther sie. »Henrike hat wieder kaum etwas gegessen.« Sie schüttelte den Kopf und sah ihrer Tochter hinterher, die eilig ihren Mantel und die Stiefel anzog und dann das Haus verließ. »Wo soll das noch hinführen?«
»Ich denke, sie bekommt bei den Flohs genügend zu essen«, murmelte Catharina.
»Diese Woche müssen wir waschen.« Esther warf einen Blick nach draußen. Es war immer noch kalt, aber klar, kein Wölkchen war am Himmel zu sehen. »Heute wäre es ideal ...«
»Aber heute müssen wir doch ...«
»Naturellement. Vielleicht haben wir ja Glück, und es bleibt so in den nächsten Tagen.«
Die Wäsche zu waschen war eine schwere Aufgabe. Schlimm war es dann, wenn es wochenlang regnete und sie kaum eine Chance hatten, die nassen Laken und Tücher zu trocknen.
Esther und Catharina beeilten sich, den Haushalt zu machen und das Essen vorzubereiten. Nachdem sie den Brotteig angesetzt und die Hühner gefüttert hatte, holte Catharina einen Eimer Wasser vom Brunnen im Hof. Sie setzte einen Kessel auf und erwärmte einen Teil des Wassers, füllte damit einen Krug. Ihre Mutter suchte die Nähsachen in der Stube zusammen, Catharina konnte sie kramen hören. Vorsichtig öffnete Catharina die Küchentür, warf einen Blick in die Diele, von ihrer Mutter war nichts zu sehen. Catharinastreifte die Holzpantinen ab, schlich, so leise sie konnte, die steile Stiege hoch. Aus Erfahrung wusste sie, dass die Bretter der dritten und siebten
Weitere Kostenlose Bücher