Seidenmagd
fürchten sich vor dem Wandel, sind selbst den moderneren Psalmen abgeneigt, die schneller vorgetragen werden.«
Abraham hatte recht, die Gemeinde drohte an diesen Dingen auseinanderzubrechen. Die jüngeren Mitglieder hatten dem Gemeinderat eine Eingabe vorgelegt, nach der die alte Art zu singen geändert werden sollte.
»Prediger Windges ist sogar ganz gegen Gesang in der Kirche. Er meint, den Glauben an Gott solle man still und ehrfürchtig leben.«
Weder still noch besonders ehrfürchtig begingen die Krefelder den restlichen Sonntag. Ein doppeltes Spalier an Soldaten hatte sich rechts und links der Oberstraße aufgestellt. Der Prinz ging zu Fuß durch sie hindurch bis zum Marktplatz, dann ließ er das Bataillon an sich vorbei marschieren. Anschließend stieg er in seinen Wagen, fuhr zum Haus der von der Leyen, nahm einen kleinen Imbiss und ließ sich dann nach Düsseldorf bringen.
Am Marktplatz hatte man Buden aufgebaut, Kuchen, Brot und Würste wurden feilgeboten, auch Bier und Wein wurden ausgeschenkt. Bis spät in die Nacht feierten die Leute.
Ter Meers hatten einige Freunde zum Essen gebeten. Neugierig erwartete man den Bericht von Catharina te Kamp, die für den Rest des Tages frei bekommen hatte.
Schüchtern saß sie auf der Bank in der Stube, hielt den Kopf gesenkt.
»Nun ziert Euch nicht, Mademoiselle«, bat Engelbert vom Bruck sie. »Wir sind ganz gespannt ob der Neuigkeiten, die Ihr berichten mögt.«
Catharina schüttelte den Kopf. »Ich weiß nichts zu berichten.«
»Was erzählt man sich im Haus von der Leyen über die Friedensverhandlungen? Werden sie in Augsburg stattfinden?«
»Das kann ich nicht sagen.«
»Nun bitte, es bleibt doch unter uns.« Abraham lächelte ihr zu.
Catharina errötete. »Nein, es geht nicht darum, dass ich nichts sagen dürfte. Ich habe keine Ahnung von Politik, und ich habe auch nichts dergleichen gehört.« Ihre Stimme wurde fast tonlos.
Anna bemerkte die Pein der jungen Frau und lenkte das Gespräch geschickt auf andere Themen.
»Der Prinz war nach der neuesten Mode gekleidet, so schien mir«, sagte sie und beeilte sich, Wein auszuschenken.
»O ja. Spitzenbesatz an den Ärmeln und einen Kragen, so üppig, dass ein Vogel dort nisten könnte.«
Sie ließen sich über die Kleidung und das Gebaren desPrinzen aus, diskutierten die Artikel der verschiedenen Zeitungen.
Als Anna in die Küche ging, gab sie Catharina ein Zeichen, ihr zu folgen.
»Es tut mir leid«, sagte sie und drückte Catharinas Arm. »Sie wollten Euch nicht in Verlegenheit bringen.«
»Das weiß ich doch«, sagte Catharina leise. »Aber ich schäme mich so sehr. Ich verstehe so wenig von Politik und dem Weltgeschehen, ich habe niemanden, mit dem ich darüber reden, der es mir erklären könnte, und die Dienstboten bei den von der Leyen sprechen meist über andere Dinge.«
Anna musterte die junge Frau. In den wenigen Wochen, die sie jetzt bei der Familie von der Leyen arbeitete, schien sie dünner geworden zu sein. Sie war blass, und Ringe zeigten sich unter ihren Augen.
»Wie geht es Euch dort?«, fragte Anna besorgt. »Behandelt man Euch gut?«
»Ja, schon.«
»Aber?«
Catharina schüttelte den Kopf. »Ich kann mich nicht beklagen. Die Arbeit ist nicht zu hart, bisweilen gibt es wenig zu tun, dann muss ich in der Küche aushelfen. Aber auch das ist nicht schwer, sondern eher interessant.« Auf einmal klang sie etwas lebhafter. »Die verwenden Dinge, von denen ich noch nie etwas gehört, geschweige denn geschmeckt habe.«
»Das kann ich mir gut vorstellen. Trotzdem wirkt Ihr nicht glücklich.«
»Mich plagt mein schlechtes Gewissen.«
»Wem gegenüber?«
»Henrike.«
Anna nickte, sie hatte sich so etwas fast gedacht. »Aber Eure Arbeit macht Euch auch ein wenig Freude?«
Catharina hob den Kopf, und auf einmal sprühten ihre Augen, wie Sonnenlicht, das sich in einer Pfütze bricht. »O ja! Ich lerne Dinge kennen, die mir völlig unbekannt waren, ganze Welten scheinen sich vor mir aufzutun.« Dann biss sie sich auf die Lippe. »Davon hat Rike immer geträumt, während ich es mir nie vorstellen konnte. Und nun lebe ich ihren Traum, und das ist ungerecht.«
Kapitel 13
Wie in Trance folgte Catharina dem Knecht, der ihre Truhe auf einen Karren geladen hatte. Sie stolperte mehr, als sie ging, ihrer Zukunft entgegen.
Vor dem imposanten Haus der von der Leyen blieb sie stehen, holte tief Luft. Hier würde sie nun wohnen. Dies würde ihr Zuhause sein. Würde sie sich jemals wirklich
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