Seidenmagd
heimisch fühlen?
Der Knecht hatte ihr Zögern nicht bemerkt. Er war eilig durch die Toreinfahrt neben dem Haus hindurchgegangen und aus ihrem Blick verschwunden. Catharina hastete ihm hinterher. Im Hof blieb sie wieder stehen. Alles war so anders, so groß hier. Alle Türen waren verschlossen und der Knecht verschwunden. Obwohl sie schon einmal hier gewesen war, konnte sie sich nicht mehr daran erinnern, an welcher Tür sie geklopft hatten.
»Mon Dieu, was mache ich nun?« Sie biss sich auf die Lippe. »Soll ich es einfach irgendwo probieren?«
Das Haus schien noch zu schlafen. In den oberen Stockwerken waren die Fenster allesamt geschlossen, viele mit Vorhängen verhängt.
Panisch sah Catharina zu den drei Türen, die ins Haus führten. Welche sollte sie wählen? Sie wollte nicht gleich am ersten Tag einen Fehler begehen. Bevor sie sich entscheiden konnte, öffnete sich die mittlere Tür, und der Knecht lächelte ihr zu.
»Pardon, ich war wohl zu schnell. Hierher geht es.«
»Bon, merci.« Catharina folgte ihm, wischte sich die schweißnassen Hände am Mantel ab.
In der Küche waberte der Dampf, der aus vielen Töpfen quoll, fremde Aromen mischten sich mit bekannten. Es roch nach Brot und Holzkohle, Grütze, Würzwein und lauwarmen Bier. Aber auch nach anderen, fremden Dingen.
Unschlüssig blieb Catharina stehen.
»Bonjour, Mademoiselle. Du warst schon einmal hier, wenn ich mich recht erinnere.« Die Köchin wusch sich die Hände in einem Trog, trocknete sie sorgfältig mit einem Leinentuch, das an ihrer Schürze hing, und kam dann auf Catharina zu. »Du bist Catharina te Kamp, nicht wahr?«
»Oui.«
»Nun habe doch keine Angst vor uns. Ich bin Mamsell Luise, die Köchin.« Sie nahm Catharinas Hände. »Wir sind hier wie eine Familie, auch wenn dir das im Moment noch fremd vorkommt. Hast du Hunger?«
Catharina schüttelte den Kopf. Obwohl es köstlich roch, schnürte ihr die Angst den Magen zu.
»Du kannst mich Luise nennen. Jakob, Lieke und Nele.« Sie zeigte jeweils auf die Person. »Habe keine Angst vor uns, Catharina.«
»Käthe«, sagte sie leise. »Meine Familie nennt mich Käthe. Und ihr seid nun so was wie meine Familie.« Verlegen senkte sie den Kopf. War sie zu weit gegangen?
»Käthe.« Mamsell Luise lächelte. »Das gefällt mir. Lieke wird dir die Kammer zeigen. Du teilst sie mit Trude.«
Scheu sah Catharina sich um. Wer war Trude?
»Komm«, sagte Lieke. »Hier geht es lang.«
Zu Catharinas Überraschung begaben sie sich nicht in den Flur, der zum Salon und zur Bibliothek führte, sondern gingen durch eine Tür am anderen Ende der Küche. Dort waren zwei große Spülbecken, eine weitere Herdstelle, über der ein großer Kessel hing. Die Tür führte zu einem kleinen, dunklen Gang. Es roch muffig und erdig hier, stellte Catharina erstaunt fest.
»Dort hinten geht es zum Keller. Wir haben noch einen weiteren Keller unter dem Schuppen, den Eiskeller. Hier werden die Weine gelagert«, erklärte Lieke ihr. Sie hielt die Kerze hoch, die sie vom Küchentisch genommen hatte. »Du musst hier aufpassen, hier ist es eng.«
Eine schmale Holzstiege führte nach oben. Catharina folgte der Magd, ihr Herz pochte heftig.
Hier wird also nun mein neues Heim sein, dachte sie.
Von dem lang gestreckten Flur gingen mehrere Türen ab. Lieke öffnete die Dritte.
»Voila! Hier ist deine Kammer.«
Ein kleines Fenster zeigte zum Hof, rechts und links davon war jeweils eine schmale Bettstatt. Am Fußende des linken Bettes stand eine Kleidertruhe, darüber lag ein Umschlagtuch aus dunkler Wolle. Ein Paar Schuhe und ein Paar Stiefel standen ordentlich aufgereiht hinter der Tür. Auf einer Kommode befanden sich Waschkrug und Schüssel, auf dem Bodenstand der Nachttopf. Ein kleiner Tisch und ein Stuhl vor dem Fenster vervollständigten die Möblierung.
»Jakob wird dir gleich deine Truhe bringen.«
»Ich teile mir das Zimmer mit Trude?«
»Ja, sie hat auch erst vor ein paar Wochen hier angefangen. Der junge Monsieur zieht nun ganz hier ein. Seine Gemächer sind im Flügelanbau. Aber die Herrschaften planen ein neues Haus, großzügiger und komfortabler.«
»Noch größer?« Zum ersten Mal stahl sich ein Lächeln auf Catharinas Gesicht. Etwas von der Anspannung fiel von ihr ab.
»Ja. Der junge Monsieur möchte irgendwann seinen eigenen Haushalt führen und trotzdem mit Madame und Monsieur verbunden bleiben.«
»Die Trude ...«, fragte Catharina vorsichtig. »Wie ist sie?«
»Du wirst sie sicher gleich
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